Musik zur Krise

Zwei amerikanische Forscher entdecken einen Zusammenhang zwischen der Wirtschaftslage und den Popmusik-Charts - in guten Zeiten ist Madonna in, in schlechten hören die Menschen lieber Phil Collins.
von  Abendzeitung
Geht es der Wirtschaft schlecht, hören die Menschen lieber langsame, bedeutungsschwere Musik.
Geht es der Wirtschaft schlecht, hören die Menschen lieber langsame, bedeutungsschwere Musik. © dpa

Zwei amerikanische Forscher entdecken einen Zusammenhang zwischen der Wirtschaftslage und den Popmusik-Charts - in guten Zeiten ist Madonna in, in schlechten hören die Menschen lieber Phil Collins.

Das waren schöne Zeiten, die mittleren und späten Neunziger. Der Wirtschaft ging’s gut, alle steckten Geld in irgendwelche Internet-Geschäfte und die Menschen tanzten den „Makarena oder lauschten den lieblichen Stimmen von Whitney Houston oder Mariah Carey.

Kein Zufall – denn die Befindlichkeit der Gesellschaft und die Wirtschaftslage bilden einen Zusammenhang. Das fanden die zwei amerikanischen Forscher Terry F. Pettijohn und Donald F. Sacco heraus. Dafür ließen sie Tester die Nummer-Eins-Platzierungen der amerikanischen Billboard-Charts von 1955 bis 2003 bewerten – nach Länge, Bedeutungsschwere, Geschwindigkeit und Romantik. Diese Werte verglichen sie mit dem „General Hard-Times Measure“, einem Index, der die wirtschaftliche Situation Amerikas berechnet. Heraus kam: Floriert die Wirtschaft, hört man gerne flotte fröhliche Musik, in Krisenzeiten romantische, bedeutungsschwere Stücke.

Ein Rückblick: Mitte der Achtziger ging es Amerika ziemlich gut, und Madonna dominierte mit dem beschwingt-fröhlichen Disco-Hopser „Like A Virgin“ die Billboard-Charts. 1989, ein paar Jahre später musste Phil Collins mit dem flehentlich gesungenen „Another Day In Paradise“ trösten.

Es gibt natürlich auch Ausnahmen: 1997 war die Wirtschaft zwar intakt, trotzdem drückte ein Ereignis auf das Gemüt der Menschen: der Tod von Lady Di, den Elton John mit dem traurigen „Candle In The Wind“ musikalisch verarbeitete. Zu Beginn des neuen Jahrtausends sank der „General Hard-Times Measure“-Faktor auf den niedrigsten Stand seit den späten Siebzigern. Zu den sorgenfreien Jahren lieferten Künstler wie 50 Cent mit „In Da Club“ den Beat. Beschwingt, dafür textlich eher simpel, aber was soll’s: Es waren ja alle glücklich.

Und was kommt 2009? Was wird die Hintergrundmusik zur Wirtschaftskrise? Mutiert Madonna zur melancholischen, erwachsenen und tiefschürfenden Songwriterin mit Gitarre? Oder müssen doch krisenerfahrene Musiker wie Phil Collins zurück in die Charts, um den Menschen musikalisch beizustehen? Wird der weinerliche Xavier Naidoo globaler Seelentröster? Vielleicht irren die Experten auch, und 2009 wird gar nicht so schlimm. Wäre ja auch viel schöner.

Christoph Landsgesell

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