Münchens schönster Speicherchip

Die Null ist eine Sau. Die 33 ist ihre Mama. Und der Karo-König ist Michael Schumacher. Mit Hilfe von solchen Verbindungen gewann die Politikstudentin Christiane Stenger fünfmal die WM der Superhirne.
MÜNCHEN Christiane Stenger (20) sieht die Welt etwas anders als die meisten Menschen. Die Münchnerin merkt sich Zahlen, Ziffern, Karten oder Listen mit Hilfe von Früchten, Figuren oder Tieren. Mit den Methoden des Münchner Gedächtnis-Trainers Gunther Karsten ist die Politikstudentin in der Lage, 1500 Ziffern in der Stunde abzuspeichern, manchmal noch viel mehr. In nur einer Minute prägt sie sich 52 Spielkarten ein – ein ganzer Stapel.
Fünffache Weltmeisterin
Christiane Stenger ist nicht nur ein zierliches Mädchen mit langen Haaren, einem Freund und einem Studentenleben. Sie ist ein weiblicher Speicherchip.
Mit der Kraft ihres Gehirns gewann sie fünfmal hintereinander die Juniorengedächtnis-Weltmeisterschaft. Jetzt bringt sie ihr drittes Buch und bald auch ein Parfum heraus. In Seminaren und Kursen zeigt sie Erwachsenen und Kindern seit Jahren, wie man sich besser an Dinge erinnert.
Eine ihrer Methoden geht so: „Ich stelle mir zum Beispiel mein Bad vor. Ich laufe durch und markiere Wegpunkte, wie die Wanne und die Dusche. Daran hänge ich Ziffern oder Karten an.“ Geht Christiane in Gedanken noch einmal durch den Raum, steht alles an seinem Platz. Sie muss es nur noch abrufen.
"Mama" bedeutet 33
Mit dieser so genannten Routentechnik kann sie viele Informationen in kürzester Zeit speichern. Manchmal denkt sich Christiane auch verrückte Geschichte aus und speichert so mehrere Infos ins Langzeitgedächtnis. Dafür hat sie bestimmte Regeln festgelegt: Die Drei ist zum Beispiel immer ein M – „Mama“ bedeutet also 33. Und der Karo-König heißt Michael Schumacher. Das ist einfach so.
Theoretisch kann das jeder lernen – nur wird kaum einer so gut werden wie Christiane. Mit ihrem Intelligenz-Quotienten von 145 gehört sie zum intelligentesten Prozent der Menschheit.
Mit 16 das Abi
Das war lange eine Last: In der Grundschule war sie unterfordert, bekam schlechte Noten. Dann aber belegte sie einen Kurs bei Gunther Karsten und wechselte dann in ein Internat, das Karstens Gedächtnistechniken nutzt. Dort übersprang sie zwei Klassen und machte mit 16 Jahren Abitur.
Heute ist sie im neunten Semester. „Wird Zeit fürs Diplom“, sagt sie und seufzt. Manchmal sei sie etwas faul. Der Abschluss wird trotzdem kein Problem: Christiane lernt schneller und viel detaillierter und als ihre Kommilitonen.
Manche Dinge merkt sie sich aber nicht: Etwa wann sie ihre Titel holte (von 1999 bis 2003) oder wie ihr neues Buch heißt (steht noch nicht fest). Solche Sachen würde sich jeder merken. „Mich interessiert das nicht“, sagt Christiane. Sie sieht eben vieles etwas anders.
Thomas Gautier