Mord an Ägypterin im Gericht – "Mord aus bloßem Hass"

Zum Auftakt des Prozesses um den Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini im Landgericht Dresden hat die Anklage am Montag die Heimtücke und die niederen Beweggründe der fremdenfeindlichen Tat betont.
von  Abendzeitung
Internationale Medienvertreter und Interessenten hinter einer Panzerglasscheibe und Verfahrensbeteiligte davor verfolgen am Montag, 26. Oktober 2009, in Dresden, Sachsen, im Schwurgerichtssaal des Landgerichtes hinter einer Schutzscheibe aus panzerglas den Prozess gegen Alex W..
Internationale Medienvertreter und Interessenten hinter einer Panzerglasscheibe und Verfahrensbeteiligte davor verfolgen am Montag, 26. Oktober 2009, in Dresden, Sachsen, im Schwurgerichtssaal des Landgerichtes hinter einer Schutzscheibe aus panzerglas den Prozess gegen Alex W.. © AP

DRESDEN - Zum Auftakt des Prozesses um den Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini im Landgericht Dresden hat die Anklage am Montag die Heimtücke und die niederen Beweggründe der fremdenfeindlichen Tat betont.

Der Angeklagte Alex W. habe die schwangere Frau und ihren Ehemann am 1. Juli im Landgericht angegriffen, „um sie zu töten“, und weil er Nichteuropäern und Muslimen kein Lebensrecht zubillige.

Der 28 Jahre alte Russlanddeutsche war damals wegen Beleidigung angeklagt. Er soll Marwa El-Sherbini wegen ihres Kopftuchs als „Terroristin“, „Islamistin“ und „Schlampe“ beschimpft haben. Nun muss er sich wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Ihm droht eine lebenslange Haftstrafe.

200 Polizisten, Scharfschützen, Panzerglas im Gericht – der Prozess, der international für Aufsehen sorgt, begann unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen. Das Gericht glich einer Festung. Das Medieninteresse war enorm. Nach einer Unterbrechung wegen eines Befangenheitsantrags der Verteidigung sagte der Ehemann der getöteten Ägypterin aus. Der 32-jährige Elwy Ali Okaz schilderte das Geschehen weitgehend klar und gefasst in arabischer Sprache.

Demnach hatte das Paar mit seinem dreijährigen Sohn gerade den Gerichtssaal verlassen wollen, als Alex W. angriff. Es sei eine Sache von Minuten gewesen. Zunächst sei seine Frau geschlagen und geschubst worden. Als er sie verteidigen wollte, habe auch er zunächst Schläge abbekommen. Elwy Ali Okaz bemerkte das Messer erst, als der Täter schon mehrfach zugestoßen hatte. Dann seien Leute in den Saal gekommen und ein Schuss gefallen. Kurz darauf habe er das Bewusstsein verloren.

El-Sherbini und ihr Mann erlitten jeweils mindestens 16 Messerstiche. Den Schuss gab ein Beamter der Bundespolizei irrtümlich ab, er hatte den Ehemann für den Angreifer gehalten und ihm ins Bein geschossen. Elwy Ali Okaz stellte klar, dass seine Frau Alex W. nicht selbst angezeigt hatte. Offenkundig wurde von Amts wegen ermittelt, denn die Frau hatte damals die Polizei gerufen.

Alex W. verweigerte zu Beginn des Prozesses alle Auskünfte. Er war an Händen und Füßen gefesselt in den Gerichtssaal gebracht worden. Sein Gesicht verdeckte er mit einer Kapuze und einer Sonnenbrille. Er lebt seit 2003 in Deutschland und war zuletzt arbeitslos. Laut Gutachten ist er voll schuldfähig.

„Der Angeklagte wusste, dass die beiden keinen Angriff erwarteten und ihm hilflos ausgesetzt waren“, erklärte der Staatsanwalt das Geschehen am 1. Juli. Der 28-Jährige habe auf die Eheleute „zunehmend teilweise mit großer Wucht“ und aus „bloßem Hass“ abwechselnd eingestochen. Die Tat sei durch die räumliche Enge des Gerichtssaales begünstigt worden.

Der Mord im Gerichtssaal hatte weltweit Entsetzen ausgelöst, in der arabischen Welt waren Rufe nach Vergeltung laut geworden. Im Vorfeld des Prozesses gab es einen Mordaufruf gegen den Angeklagten. Unter den Prozessbeobachtern am Montag war auch Ägyptens Botschafter in Deutschland, Ramzy Ezzeldin Ramzy. Er erwartet einen fairen Prozess: „Ich habe großes Vertrauen in die deutsche Justiz.“

Der Mord an El-Sherbini habe das Verhältnis der Deutschen zur arabischen und islamischen Welt sehr getrübt, sagte der Zentralratspräsident Ayyub Axel Köhler, in einem dpa-Gespräch. „Deutschlands Ruf hat sehr gelitten. Die Politik verdrängt die Islamfeindlichkeit, sie verdrängt die Folgen solcher Erscheinungen.“

Die Vorsitzende Richterin Birgit Wiegand machte zu Prozessbeginn deutlich, dass es sich um kein politisches Verfahren handle. Alle Beteiligten sollten dem Rechnung tragen. Es gehe darum, den Tod einer jungen Frau aufzuklären, „deren Würde in diesem Verfahren auch gewahrt werden muss“, mahnte sie zudem. Wenig später lehnte die Kammer einen Befangenheitsantrag der Verteidigung ab. Einer der Verteidiger des Angeklagten Alex W. erklärte zudem, dass sich sein Mandant vorläufig weder zu den Vorwürfen noch zur Person äußere.

Die Ausländerbeauftragte des Bundes, Maria Böhmer (CDU), hat dazu aufgerufen, das Verfahren mit Ruhe und Besonnenheit zu verfolgen. „Die schreckliche Tat hat in Deutschland und Ägypten sowie in weiten Teilen der arabischen Welt Trauer und Entsetzen ausgelöst. Millionen Menschen verfolgen den Prozess mit großer Aufmerksamkeit“, erklärte sie laut einer Mitteilung in Berlin. Umso wichtiger sei es jetzt, auf die Unabhängigkeit der deutschen Justiz zu vertrauen und diese zu respektieren.

dpa

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