Mit unfreundlichen Grüßen?
Karriere-Experte Jochen Mai: Was Schlussformeln in Briefen und Mails wirklich bedeuten
In der zweiten Mail macht die AZ den ersten Fehler: Nachdem die Interview-Anfrage mit „Sehr geehrter Herr Mai“ begann und „besten Grüßen“ abschloss, schenken wir uns nach seiner Antwort einfach die Schlussformel. „Grenzwertig“ sei das, sagt Bestseller-Autor Jochen Mai („Die Karriere-Bibel“, dtv). Wer mit „Sehr geehrter...“ einsteige, solle nicht gleich in der zweiten Mail alle Form verlieren.
„Es ist schon erstaunlich, wie viele Autoren so wenig auf die Grußformeln ihrer Briefe achten“, meint der Journalisten, Blogger und Benimm-Experte aus Kerpen. „Dabei sind die Schlusszeilen keinesfalls eine obligate Dreingabe. Sie signalisierten persönliche Wertschätzung und können das zunichte machen, was im Text aufgebaut wurde.“ Mit der AZ hat er die gängigsten Schlussformeln analysiert:
Mit freundlichen Grüßen
„Der Klassiker“, sagt Mai. „Und eben deshalb auch sehr unpersönlich.“ Nach der dreimilliardsten Verwendung hat diese Floskel wohl etwas an Frische eingebüßt, selbst automatisch erstellte Schreiben vom Finanzamt enden inzwischen so. Auch das scheinbar lässigere „Freundliche Grüße“ findet der Experte eher unfreundlich. „Lässt man in einer gängigen Formel etwas weg, kann das dem Empfänger signalisieren: ,Du bist mir nicht mal drei Worte wert – für dich reichen auch zwei.'“
Mit kollegialen Grüßen
Harmlos daherkommend, enthält diese Formel einen interessanten Subtext: „Wir sind Kollegen, also behandel mich gut“, lautet der.
Hochachtungsvoll
„Ein bisschen antiquiert – und doppeldeutig“, urteilt der Fachmann. Die AZ kann’s bestätigen: Endet ein gepfefferter Leserbrief mit „Hochachtungsvoll“, lesen wir ihn gleich nochmal, könnte der Inhalt doch komplett ironisch gemeint sein. „Würde ich nur an jemanden schreiben, der mir auf den Zeiger geht.“
Grüße aus München
Dünnes Eis: „Die unterschwellige Botschaft dieser Schlussformel lautet: Ich grüße dich aus meiner Hochburg, du Wicht im Irgendwo“, sagt Mai. Dies gelte besonders, wenn der Empfänger nicht in einer Großstadt beheimatet sei. „Diese ,Grüße aus’ sind häufig in Massenmails gebräuchlich, um den Anschein des Persönlichen zu erwecken.“
Viel besser seien Grüße nach Köln, Berlin, Frankfurt und Gilching-Argelsried. Kleines Wort, große Wirkung. Das „nach“ drückt sofort „echte Empfängerorientierung“ aus: „Ich grüße dich in deiner Hochburg.“
Liebe Grüße
„Sehr persönlich“ – sie sollten guten Freunden und engen Vertrauten vorbehalten sein.
Beste Grüße
Newcomer unter den Schlüssen, auch in geschäftlicher Korrespondenz. „Flott, aber ambivalent.“ Superlative könnten bei manchen den Eindruck erwecken, es nicht ganz ehrlich zu meinen. Gravierender sei dies aber bei „Herzlichst“.
Viele Grüße
Unspektakulär, aber nett und vielseitig einsetzbar. Privat und auch in lockerer beruflicher Kommunikation.
Herzliche Grüße
„Sehr angenehm, das drückt direkt eine Emotionalität aus“, sei aber nicht zu intim, wie manche Absender befürchten. „Herzliche Grüße“ könne man durchaus auch Menschen übermitteln, mit denen man noch keinen Beischlaf hatte.
MfG, LG, HG, BG
Diese Kurzformen haben sich durch SMS und E-Mails stark verbreitet, wirken aber in manchen Fällen etwas geringschätzig. „Bei schnellen Mitteilungen unter Kollegen und Bekannten spricht nichts dagegen – hier dominiert schließlich die Information vor der Form.“ Gegenüber Kunden, Geschäftspartnern oder Fremden seien die Abkürzungen aber „latent respektlos“.
Mit den schönsten Grüßen für ein sonniges Wochenende
„Kreative und individuelle Grüße wie dieser fallen auf und sind beliebt, können aber leicht bemüht wirken.“
Bussi!
Nur für Münchner Leute-Kolumnistinnen. „In Norddeutschland kann so ein Schluss gar als Anzüglichkeit verstanden werden“, sagt Experte Mai. Eine Interview-Anfrage an Helmut Schmidt zum Beispiel dürfe keinesfalls so enden.
Timo Lokoschat
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