Missbrauchsopfer treffen sich mit Ordensvertretern

Orden soll Zeichen der Sühne zeigen – Missbrauchsopfer diskutieren am Samstag mit Vertretern des Jesuitenordens. Provinzial Stefan Dartmann nach dem siebenstündigen Treffen: "Eine der wichtigsten Erfahrungen."
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BERLIN - Orden soll Zeichen der Sühne zeigen – Missbrauchsopfer diskutieren am Samstag mit Vertretern des Jesuitenordens. Provinzial Stefan Dartmann nach dem siebenstündigen Treffen: "Eine der wichtigsten Erfahrungen."

Seit Monaten schon sprechen sie wieder miteinander, die Jesuiten und ehemalige Schüler der vier Kollegien in Deutschland. Der Kontakt lief über E-Mails, Briefe und vor allem über die Presse. Aber persönlich gesehen hatten sie sich bisher nicht. Bis zum Samstag in Berlin: Die Betroffenen des Missbrauchs an Jesuitenschulen hatten zu einem gemeinsamen Gespräch eingeladen. Es ging um ihre Forderungen nach Genugtuung, und es ging noch einmal um ihre Leidensgeschichten - diesmal von Angesicht zu Angesicht. „Dass wir uns das als Jesuiten haben anhören müssen, war sicherlich eine der wichtigen Erfahrungen heute“, sagte Stefan Dartmann, Provinzial des Jesuitenordens in Deutschland, nach dem siebenstündigen Treffen.

Der Unmut der Betroffenen war groß gewesen in den vergangenen Wochen. Es seien keinerlei Fortschritte erzielt worden, die Kommunikation des Ordens sei unzulänglich, und mit dem runden Tisch der Bundesregierung habe man das Problem vor allem auf die lange Bank geschoben, klagte die Betroffenengruppe „Eckiger Tisch“, die das Treffen organisiert hatte. In ihr haben sich seit dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg Geschädigte aller vier deutschen Jesuitenschulen organisiert. 35 davon waren bei der Zusammenkunft mit den Verantwortlichen des Jesuitenordens dabei.

Einer von ihnen war Marcello Moschetti, der in den 70er Jahren das Berliner Canisius-Kolleg besuchte. „Wir haben die Jesuiten eingeladen, weil von ihrer Seite aus in keiner Weise auf uns zugegangen worden ist, alle Initiative kam bislang nur von uns“, sagte er. Das persönliche Gespräch sollte also vor allem eines bewirken: eine ehrliche Reaktion der Ordensvertreter. Zwar sei das Treffen am Samstag tatsächlich „sehr emotional“ verlaufen, sagte Moschetti. Viel Empathie habe er allerdings bei den Jesuiten nicht feststellen können. „Da ist wenig angekommen.“

Nun verlangen die Betroffenen Aufklärung, Hilfe und finanzielle Genugtuung. Über alle drei Punkte wurde den Aussagen der Teilnehmer zufolge heftig diskutiert, insbesondere über die Frage der Kompensation. Die Opfer wollen die pauschale Zahlung. „Wir werden es nicht akzeptieren, individuell eingeschätzt zu werden, und dann aufgrund dieser Aussage katalogisiert zu werden“, erklärte Moschetti. Vielmehr fordert er eine Pauschale in einer Höhe, die deutlich mache, dass die Jesuiten „Sühne und Reue“ zeigen – die Rede war von einer fünfstelligen Summe. „Es muss ihnen auch wehtun.“ Überdies könne sich der runde Tisch, dessen Ergebnisse der Orden bislang abwarten wollte, noch jahrelang hinziehen. „Aber wir müssen die Geschichte in möglichst kurzer Zeit abschließen, weil wir zu unseren früheren Leben zurückkehren müssen.“

Dartmann hatte die Zahlung einer Pauschale bisher immer strikt abgelehnt. Nach dem Gespräch am Samstag aber zeigte er sich schon etwas aufgeschlossener. „Ich habe heute verstanden, dass es den Betroffenen um einen wichtigen Aspekt geht: Der Orden soll ein Zeichen der Sühne zeigen. Die Entschuldigungen, die sowohl ich als auch andere im Namen des Ordens ausgesprochen haben, dürfen nicht nur leere Worte sein, die nichts kosten.“ Das sei ein legitimes Interesse der Opfer. In den nächsten Wochen werde sich der Orden nun intern eine Antwort überlegen.

Für den Fall, dass nicht bald ein solches Zeichen gesetzt wird, haben die Betroffenen am Samstag vorsorglich schon einmal Druck aufgebaut. Man warte jetzt ungeduldig auf eine klare Ansage vonseiten des Ordens. „Wir sind seit fünf Monaten quasi nonstop über Internet verbunden und werden langsam müde“, sagte Moschetti. Während der Fußballweltmeisterschaft wollen sich die Betreiber des „Eckigen Tisches“ nun ausruhen, in ein paar Wochen aber solle dann eine Reaktion der Jesuiten vorliegen – andernfalls wären sie bereit, gegen die Jesuiten zu klagen. „Bisher haben wir ihnen Hausaufgaben mitgegeben. Jetzt werden wir sehen, ob sie die auch machen.“

In Einrichtungen des Jesuiten-Ordens hat es in den vergangenen Jahrzehnten offenbar mehr als 200 Fälle von Misshandlungen und sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen gegeben.

ddp

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