Miss Ackerschmalwand

Auf den Spuren von Darwin: Eine junge Deutsche erforscht die Entstehung der Arten
TÜBINGEN Kirsten Bomblies ist erst 34 Jahre alt, hat sich in der Wissenschaft aber schon international einen Namen gemacht. Die Evolutionsbiologin erforscht am Max-Planck-Institut in Tübingen, wie die Evolution neue Pflanzenarten erschafft. Dazu untersucht sie, warum die Kreuzungen verschiedener Sorten einer Pflanze erstaunlich oft verkümmerte Nachkommen haben.
Wenn sie versucht, ihre Arbeit einem Nicht-Biologen zu erklären, sagt sie zum Beispiel: „Dabei geht es sozusagen um die Pflanzenversion vom Autoimmunsyndrom.“ Was vielen Laien nur ein Schulterzucken entlockt, fesselt die Wissenschaftler: Denn die Entstehung neuer Arten in der Natur gehört zu den spannenden Fragen der Biologie.
Deswegen hat die MacArthur-Stiftung, eine der renommiertesten Stiftungen in den USA, beschlossen, diese Arbeit zu unterstützen: In den nächsten fünf Jahren bekommt Bomblies insgesamt rund 350 000 Euro – um „ihre Kreativität zu entfalten und ihre Karriere voranzutreiben“. Konkret heißt das: Sie darf das Geld ausgeben, wofür sie will.
Infrage käme da einiges. In ihrer Freizeit malt die blonde, humorvolle Forscherin gerne, am liebsten Pflanzen und Tiere, mit Wasserfarben oder Acryl. Doch dazu kommt sie eher selten – die Arbeit steht im Vordergrund.
Geboren wurde Bomblies im niedersächsischen Uelzen. Ihre Familie wanderte 1981 in die USA aus und landete in Colorados wildem Westen.
Sie selbst sagt, ihre Kindheit dort in der Natur habe den Ausschlag für ihren späteren Berufswunsch gegeben. An der Universität von Pennsylvania studierte Bomblies Biologie und Biochemie, machte ihren Bachelor und spezialisierte sich auf die Biologie. Anschließend arbeitete sie drei Jahre als Laborleiterin in San Diego (Kalifornien).
Für ihre spätere Karriere eine entscheidende Zeit, denn: „Dort habe ich dann meine Liebe zu Pflanzen und zur Wissenschaft entdeckt.“ Den Doktortitel erhielt sie 2004 von der Universität von Wisconsin für Untersuchungen, wie in den vergangenen 10 000 Jahren der heutige Kulturmais entstanden ist. Kurz darauf kam sie ans Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, wo sie seitdem das Lieblingsgewächs der Pflanzengenetiker erforscht, die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana).
Ihrer Ansicht nach spielte Tübingen auch eine große Rolle für ihren Erfolg: „Wir Forscher haben hier so eine große Freiheit, das ist wirklich etwas Besonderes. Ich kann meine Kreativität voll entfalten. In den USA ist das nur an sehr wenigen Orten möglich.“ Trotzdem: Bomblies wird Deutschland im nächsten Jahr wieder den Rücken kehren und mit ihrem Mann in die USA ziehen. Sie hat ein Angebot erhalten, das sie – wie sie sagt – nicht ablehnen konnte: Von Juli 2009 an arbeitet sie an der Harvard-Universität in Boston als Professorin.