Minijob-Falle: Teilzeitstelle rechnet sich für viele kaum

Rund 3,8 Millionen Frauen in Deutschland haben einen Minijob. Warum es sich für viele von ihnen nicht lohnt, mehr zu arbeiten, rechnet eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung vor.
dpa |
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Nach Zahlen der Minijobzentrale sind in Deutschland rund 6,4 Millionen Minijobber im gewerblichen Bereich und in Privathaushalten gemeldet. Davon sind mehr als die Hälfte Frauen.
Nach Zahlen der Minijobzentrale sind in Deutschland rund 6,4 Millionen Minijobber im gewerblichen Bereich und in Privathaushalten gemeldet. Davon sind mehr als die Hälfte Frauen. © Angelika Warmuth/dpa
Gütersloh

Eine Beschäftigung über einen Minijob hinaus ist einer neuen Studie zufolge für viele Frauen und Mütter finanziell unattraktiv.

Der Grund dafür sind laut der von der Bertelsmann Stiftung veröffentlichten Untersuchung "Für wen lohnt sich Arbeit?" die hohen Steuern und Abgaben bei einer Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung im Niedriglohnbereich.

Andreas Peichl und Maximilian Blömer vom Münchner Ifo-Institut haben für die Bertelsmann Stiftung untersucht, wie viel Prozent des Bruttoeinkommens im Niedriglohnbereich vom Staat einbehalten werden. Ein Beispiel: Verdient der Ehemann 48.000 Euro brutto im Jahr, würde die Frau bei einem Minijob mit etwa 10 Wochenstunden und einem Stundenlohn von 10 Euro 5400 Euro im Jahr hinzuverdienen - und zwar ohne Abzüge aufgrund der Sonderregelung für Minijobs.

Nehme die Frau stattdessen einen Teilzeitjob mit 20 Wochenstunden bei gleichem Bruttostundenlohn an, blieben der Familie 6293 Euro im Jahr zusätzlich. "Eine Zweitverdienerin müsste doppelt so viel arbeiten, um nicht einmal 1000 Euro mehr im Jahr in der Tasche zu haben", sagte Stiftungsvorstand Jörg Dräger.

Noch stärker als bei Verheirateten werde das Einkommen von Alleinerziehenden - und damit häufig von Müttern - im Niedriglohnbereich belastet. Für Alleinerziehende mit zwei Kindern, die Arbeitslosengeld II beziehen, rechne sich bereits eine Beschäftigung über einen mit 100 Euro im Monat bezahlten Kleinstjob hinaus kaum. Von einem 450-Euro-Minijob blieben nur 2040 Euro im Jahr übrig. Das seien 38 Prozent des zusätzlich verdienten Einkommens.

Am höchsten sei die Belastung im Niedriglohnsektor für Alleinstehende ohne Kinder. Bei einer Vollzeitbeschäftigung mit einem Bruttostundenlohn von 10 Euro verdienten sie im Jahr lediglich 5283 Euro pro Jahr mehr als in Arbeitslosigkeit. Umgerechnet bedeute dies, dass sie bei einer Vollzeitbeschäftigung durchschnittlich nur 2,50 Euro netto pro Stunde mehr hätten als durch die Arbeitslosenunterstützung.

"Im Niedriglohnbereich sind die Hürden, eine Arbeit aufzunehmen, zu hoch", sagte Dräger. Niedrige Schwellen seien aber wichtig, damit solche Jobs ihre Einstiegsfunktion in den Arbeitsmarkt erfüllen könnten. Frauen und Mütter müssten aus der Falle der Kleinst- und Minijobs befreit werden. Dazu sollten für Alleinstehende und Alleinerziehende die Hinzuverdienstregelungen angepasst werden. Um die Anreize zur Arbeitsaufnahme für "Zweitverdienende" zu stärken, sei hingegen eine Einschränkung von Minijobs und eine Reform des Ehegattensplittings von zentraler Bedeutung.

Nach Zahlen der Minijobzentrale (30. September) sind in Deutschland rund 6,4 Millionen Minijobber im gewerblichen Bereich und in Privathaushalten gemeldet. Davon sind 3,8 Millionen Frauen. Der Durchschnittsverdienst im gewerblichen Bereich betrug im vergangenen Jahr rund 320 Euro, in den Privathaushalten waren es gut 187 Euro.

© dpa-infocom, dpa:201117-99-357466/2

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2 Kommentare
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  • DaMamaIhrBua am 19.11.2020 19:47 Uhr / Bewertung:

    Tja, das ist beabsichtigt.
    „Halte Du sie dumm, ich halte sie arm“.

  • UndNoOaner am 19.11.2020 07:02 Uhr / Bewertung:

    Wie wäre es, wenn man die Minijobs gesetzlich für die Arbeitgeber etwas unattraktiver macht? Zum Beispiel mit einer Obergrenze an Minijobbern im Unternehmen oder mit einer generellen zeitlichen Begrenzung. Arbeitet der Minijobber 12 Monate im Unternehmen muss das Arbeitsverhältnis entweder unter voller Beachtung des Kündigungsschutzes beendet werden oder zwangsweise in einen vollbezahlten Teilzeitvertrag übergehen. Das Gehalt orientiert sich dann an dem einer Vollzeitkraft für die gleiche Stelle und wird heruntergerechnet.

    Ansonsten verstehe ich den Artikel nicht so richtig. Ich lese das so, dass wenn man arbeitet man am Jahresende mehr Geld in der Tasche hat als bei ALG II. Das ist doch der Sinn der Sache. Die Diskussion was zu viel und was zu wenig ist ist eher philosophischer Natur.

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