Messias Steve und der iGral

Apple-Boss Jobs versetzt in San Francisco seine Anhänger mit dem iPad in Verzückung – einem tafelartigen Mini-Computer ohne Tastatur, der die Medien-Welt revolutionieren soll
von  Abendzeitung
Da isses. Steve Jobs mit iPad.
Da isses. Steve Jobs mit iPad. © dpa

Apple-Boss Jobs versetzt in San Francisco seine Anhänger mit dem iPad in Verzückung – einem tafelartigen Mini-Computer ohne Tastatur, der die Medien-Welt revolutionieren soll

Eine vergleichbare Aufregung um eine kleine Tafel dürfte es zuletzt gegeben haben, als Moses vom Berg Sinai herabstieg.

Gestern um 19 Uhr Mitteleuropäischer Winterzeit ist es endlich soweit: IT-Guru Steve Jobs erlöst Millionen Apple-Evangelisten von der quälenden Ungewissheit und präsentiert das Gerät, über das in den vergangenen Wochen wilder spekuliert worden war als 1929 vor dem Börsencrash: einen tablettartigen Mini-Computer, der wirklich ein bisschen aussieht wie eine Schiefertafel, und flacher ist als die Witze von Mario Barth. „Wir nennen es iPad“, verkündet Jobs, der wie gewohnt in mönchischer Schlichtheit – Rollkragenpulli und Jeans – vor seine Anhänger tritt. Zuvor war unter Fans auch der Name „iSlate“ im Gespräch gewesen, der sogar wörtlich übersetzt iSchiefertafel bedeutet hätte.

Jetzt also das iPad. Neun Jahre nach dem iPod und drei Jahre nach dem iPhone will Apple einen weiteren Meilenstein setzen. Aber erst einmal setzt sich Steve Jobs – in einem schwarzen Ledersessel demonstriert er den im Saal versammelten Journalisten, was das iPad alles kann.

Lächelnd surft der 54-Jährige ein bisschen durchs Internet, gibt zunächst www.apple.com ein. Im Gegensatz zu ultraleichten Laptops verfügt der Tafel-Computer nicht über eine Hardware-Tastatur. Texte werden über virtuelle Tasten auf dem Display geschrieben.

Nächste Station ist die „New York Times“. Das Bildschirm-Layout sieht aus wie in der gedruckten Ausgabe der Traditionszeitung, ergänzt durch interaktive und multimediale Möglichkeiten – eine Mischung aus ePaper und Webseite. Auch beim iPhone ist so etwas möglich, mit dem iPad aber erstmals auch für Menschen ohne Bundeswehr-Scharfschützen-Ausbildung richtig gut lesbar. Diese Anwendungen könnten die Zeitungs-Welt in den nächsten Jahren tatsächlich revolutionieren.

Als er den Preis für das Gerät nennt, klatschen die Journalisten

Weiter geht’s zu iTunes, der Musik-Seite von Apple. Jobs spielt Boy Dylans „Like a Rolling Stone“ an, schaut bei Youtube vorbei, wo ein Hund mit einem Surfbrett auf einer Welle reitet, danach gibt’s gestochen scharfe Szenen aus einem Star-Trek-Film.

Der Apple-Boss malt mit den Fingern auf dem Bildschirm herum, nicht gerade ein Picasso, aber auch das geht, checkt seine Mails, und betritt anschließend eine Art virtuelle Bibliothek, iBook-Store genannt, in der man Bücher kaufen und lesen kann. „Amazon hat hier eine großartige Pionierleistung erbracht“, sagt Jobs gönnerhaft. Es ist eine klare Kampfansage.

Auch Programme wie Word, Excel und Powerpoint sollen überflüssig werden: Jobs zeigt das Büro-Paket iWork, mit dem man Texte schreiben, Tabellen kalkulieren und Präsentationen erstellen kann.

Als er den Preis für das Gerät nennt, klatschen die Journalisten: ab 499 Dollar geht’s los – halb so teuer wie das Web mutmaßte. Mit dieser Preisgestaltung könnte Apple, das sonst eher auf eine schmale Kommunikationselite setzt, die Konkurrenz tatsächlich in die Knie zwingen.

Dann verkündet Heilsbringer Jobs, von Fans ehrfürchtig und meist völlig unironisch „His Steveness“ genannt, die letzte frohe Botschaft: Das iPad ist an keinen Provider gebunden! Das bedeutet, dass man in Deutschland zum Beispiel nicht wie beim iPhone Telekom-Kunde sein muss, um es zu benutzen. Als er das sagt, steigt die Apple-Aktie.

Timo Lokoschat

Die wichtigsten Fakten

Das billigste iPad (16 Gigabyte Speicher) kostet 499 US-Dollar (das wären 356 Euro), der Preis fürs Topmodell mit 64 Gigabyte (und 3G) beträgt 829 Dollar (592 Euro) – das ist günstiger als erwartet.

In 60 Tagen sind die Modelle mit drahtlosem Internet (WiFi) weltweit erhältlich. Rund 30 Tage später gibt es die UMTS-Variante. Ende Mai also.

Die Display-Diagonale misst 25 cm.

Das iPad wiegt rund 670 Gramm.

Es ist zirka 1,25 Zentimeter dick.

Als Betriebssystem dient iPhone OS.

Das Gerät wird wie das iPhone mit Fingergesten auf einem berührungssensitiven Bildschirm gesteuert.

Die Rückseite besteht aus Aluminium.

Die Batterielaufzeit liegt bei zehn Stunden. Standby bei einem Monat!

Der iPad integriert einen Web-Browser, E-Mail, Fernsehen und Video.

Es ist kein Telefon und hat keine Kamera.

Die Multimedia-Technik Flash fehlt nach wie vor.

Auch Multitasking kann das iPad nicht, also mehrere Apps gleichzeitig laufen lassen.

Alle 140000 iPhone Apps laufen auch auf dem iPad – in der Mitte des Schirms in kleiner Version oder mit doppelter Vergrößerung über den gesamten Screen.

Es besitzt einen hauseigenen Apple-Chip namens A4 mit einer Taktrate von einem Gigahertz.

Konkurrenz für Amazon: Es gibt eine eigene virtuelle Buchhandlung, in der man Bücher kaufen und dann auf dem iPad lesen kann – in der Schriftart, die man am besten findet.

Das iPad hat ein Bürosoftware-Paket mit Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und einem Präsentationsprogramm.

Im Gegensatz zum iPhone sperren Apple und AT&T andere Provider nicht aus, sondern bieten das Gerät ohne „Netlock“ an. Für Deutschland bedeutet das: Man muss nicht T-Mobile-Kunde sein.

Das Video von der Präsentation

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