Merkel nimmt den Papst ins Gebet
BERLIN - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Papst Benedikt XVI. in der Debatte über den Umgang mit dem Holocaust ungewöhnlich scharf kritisiert. Sie forderte das Kirchenoberhaupt zu einer Klarstellung auf.
Es ist ja schon ungewöhnlich, dass dem Oberhaupt der katholischen Kirche aus den eigenen Reihen so viel Kritik entgegenschlägt, Würdenträger seine jüngsten Personalentscheidungen kritisieren oder wegen ihnen sogar aus der Kirche austreten. Jetzt aber hat sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Papst Benedikt XVI. in ungewöhnlich deutlicher Form zu „Klarstellungen“ aufgefordert.
Es geht um den ultrakonservativen Bischof Richard Williamson, der in einem Interview den Holocaust an den Juden geleugnet hatte und dessen Exkommunikation vom Papst aufgehoben worden war. Dies hatte auch zu schweren Irritationen in der Israelitischen Kultusgemeinde geführt .
In Berlin sagte die Protestantin Merkel gestern, der Papst müsse „sehr eindeutig“ erklären, dass es keine Leugnung des Holocausts geben dürfe, und dass es „einen positiven Umgang . . . mit dem Judentum insgesamt“ geben müsse. „Diese Klarstellungen sind aus meiner Sicht noch nicht ausreichend erfolgt“, machte Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich.
Merkel sagte weiter, es sei normalerweise nicht ihre Aufgabe, innerkirchliche Entscheidungen zu bewerten. Bei Grundsatzfragen sei das aber etwas anderes. In der aktuellen Debatte gehe es um die Leugnung des Holocausts und grundsätzliche Fragen des Umgangs mit dem Judentum. „Deshalb darf das nicht ohne Folgen im Raum stehen bleiben“, sagte sie.
Merkel begrüßte als protestantische Christin ausdrücklich, dass auch bei den Katholiken „viele Stimmen“ eine Klarstellung seitens des Papstes forderten. „Das finde ich sehr ermutigend“, sagte sie.
Doch der Papst bleibt knallhart. Die Nummer zwei im Vatikan, Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, sieht keinen Handlungsbedarf. Er betrachtet die Angelegenheit als „beigelegt“. Er warnte davor, nun „Verwirrung“ zu stiften. Die Aufhebung der Exkommunikation habe ja nichts mit den „verwerflichen“ Äußerungen Williamson zu tun.
Das sieht eine wachsende Zahl von deutschen Würdenträgern ganz anders: Gestern distanzierten sich mit den Bischöfen von Osnabrück und Dresden-Meißen, Franz-Josef Bode und Joachim Reinelt, zwei weitere ranghohe Katholiken deutlich vom Vatikan.
Bode kritisierte, „es hätte nicht passieren dürfen“, dass sich die Begnadigung auf einen Holocaust-Leugner beziehe: „Da hätte man besser recherchieren müssen.“ Reinelt sprach von einer „gewaltigen Panne“. Er kritisierte das Management im Umfeld des Papstes: „Mir scheint, dass einzelne Entscheidungen noch eine deutlich bessere Vorbereitung und Abstimmung vertragen könnten, ehe sie dem Papst vorgelegt werden.“
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