Maultaschen kosten Altenpflegerin den Job

Auch wenn die Essensreste im Müll gelandet wären - Altenpflegerin Waltraud B. durfte sie nicht ihrem Arbeitgeber entwenden, hat ein Arbeitsgericht entschieden. Die rechtmäßige Entlassung nennt Verdi ein «Schandurteil».
Einige Maultaschen im Wert von drei bis vier Euro haben eine 58-jährige Konstanzer Altenpflegerin den Job gekostet. Das Arbeitsgericht Radolfzell am Bodensee hat am Freitag entschieden, dass eine fristlose Kündigung wegen Diebstahls rechtens ist. Gegen den Rausschmiss nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit hatte sich die 58-Jährige gewehrt und das Gericht angerufen. Ihre Klage wurde jedoch abgewiesen.
Die Frau hatte die Maultaschen von der Verpflegung der Heimbewohner mitgenommen. Die Essensreste wären nach ihrer Darstellung im Müll gelandet. Außerdem sei es in dem Heim gang und gäbe, übrig gebliebenes Essen zu verzehren. Sie habe auch nur vier und nicht - wie vom Gericht festgestellt - sechs Maultaschen mitgenommen.
Ihr Arbeitgeber, die städtische Konstanzer Spitalstiftung, betrachtete die Mitnahme der Maultaschen jedoch als Diebstahl. Das Vertrauensverhältnis sei zerstört, eine Weiterbeschäftigung nicht möglich, sagte der Vertreter der Stiftung, der Anwalt Georg Jauch. Nicht der Wert der gestohlenen Waren sei maßgeblich, sondern die Unehrlichkeit. «Die Arbeitnehmerin hat sich am Eigentum des Arbeitgebers vergriffen, das darf man nicht bagatellisieren.»
Anwalt hegt einen Verdacht
Der Anwalt der Altenpflegerin dagegen kritisierte den Richterspruch: «Es ist zu hart, einem Arbeitnehmer, der sich an Essensresten vergreift, fristlos zu kündigen», sagte der Jurist Klaus Staudacher. Angesichts der langen Betriebszugehörigkeit der 58-Jährigen hätte eine Abmahnung ausgereicht. Er hege den Verdacht, dass der Arbeitgeber seine Mandantin habe loswerden wollen. Er erwäge, Berufung beim Landesarbeitsgericht einzulegen. Die Gewerkschaft Verdi sprach von einem «Schandurteil». «Dieses Urteil öffnet den Arbeitgebern Tür und Tor, unliebsame Beschäftigte rauszuschmeißen, ohne sich mit ihnen auseinandersetzen zu müssen», sagte Berthold Maier, Verdi-Bezirksleiter Schwarzwald-Bodensee. Die 58-jährige Pflegerin Waltraud B. selbst äußerte sich nicht zu der Entscheidung des Gerichts.
Extra-Verpflegung für Mitarbeiter
Arbeitsrichterin Sabine Adam betonte in ihrem schriftlich veröffentlichten Urteil: «Der einzelne Arbeitnehmer kann nicht seinen Willen nach Gutdünken und gegen ein bestehendes Verbot über denjenigen des Arbeitgebers stellen.» Denn die Klägerin habe gegen eine ausdrückliche Anweisung des Arbeitgebers verstoßen. Der habe untersagt, sich vom Essen der Heimbewohner zu bedienen. Reste müssten in die Küche zurückgehen. Für das Personal werde täglich eine Extra-Verpflegung zum Preis von 3,35 Euro angeboten. Sie schenkte auch der Darstellung der Pflegerin keinen Glauben, dass die gefüllten Teigtaschen zum unmittelbaren Verzehr gedacht waren. Vielmehr habe Waltraud B. die Maultaschen in einer Tasche versteckt mit nach Hause nehmen wollen. Die Pflegerin hatte dagegen gesagt, sie habe sich die Maultaschen im Heim aufwärmen wollen, um nach einem langen Arbeitstag und vor einer anschließenden Fortbildung schnell etwas essen zu können.
Abfindung von 25.000 Euro ausgeschlagen
Die Altenpflegerin ist laut Mitteilung tariflich unkündbar gewesen. Eine Abmahnung als mildere Sanktion sah das Gericht als nicht ausreichend an. Es hatte zuvor zu vermitteln versucht. Die Pflegerin sollte eine Abfindung von 25.000 Euro bekommen, wenn sie die Kündigung akzeptiert. Das lehnte die Frau jedoch ab. Sie wollte ihren Teilzeitjob behalten. Kündigungen wegen vermeintlicher Kleinigkeiten haben in den vergangenen Monaten mehrfach für Aufsehen gesorgt. Demnächst verhandelt das Bundesarbeitsgericht den Fall einer Berliner Kassiererin, der wegen zweier Leergutbons im Wert von 1,30 Euro gekündigt worden war. (nz/dpa/AP)