Martin-Luther-Rede: 50 Jahre nach "I have a dream"
München - Fast wäre es schief gegangen. Es war heiß, 250000 Menschen standen zu Füßen des Lincoln Memorial in Washington. Sie erwarteten zündende Worte. Doch Martin Luther King sprach von „Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft zur Förderung kreativer Unzufriedenheit“. Die Leute schauten und warteten. „Erzähl ihm von dem Traum, Martin!“ soufflierte die Gospel-Sängerin Mahalia Jackson. Und Martin gehorchte. Er erzählte von seinem Traum. Es war der Beginn einer Rede, die Geschichte machen sollte.
50 Jahre ist es her, dass der 34-jährige Baptistenprediger mit einem einzelnen Auftritt dem Wandel des Landes einen entscheidenden Schub gab. „Ich habe einen Traum“, begann er immer wieder seine Sätze (siehe Auszüge), er malte eine Welt von Chancengleichheit und Freiheit aus. „I have a dream today!“ Die Kundgebung für „Jobs und Freiheit“ wurde zum epochalen Ereignis.
Es waren andere Vereinigte Staaten vor 50 Jahren. Im Mai 1963 hatte die Polizei in Alabama Kinder mit Wasserwerfern von der Straße gefegt und Hunde auf friedliche Demonstranten für Bürgerrechte gehetzt. Im Juni hatte Präsident Kennedy Soldaten in Marsch gesetzt, damit schwarze Studenten die Universität von Alabama betreten durfte.
Kennedy begleitete das Anliegen Kings mit Sympathie: „Große Änderungen stehen an“, sagte der junge Präsident live im TV. Gleichwohl ließ er King und die Seinen überwachen. FBI-Chef J. Edgar Hoover zapfte die Telefone der Bürgerrechtler an. King, der keine Rede ohne Aufruf zur Gewaltlosigkeit hielt, war in Hoovers Augen „der gefährlichste und effektivste schwarze Führer“.
Der „Marsch auf Washington“ beunruhigte das Establishment. Alkoholverkauf in der Stadt war verboten, tausende Soldaten waren in Alarmbereitschaft.
100000 wurden erwartet, es kamen 250000, Busse brachten Menschen aus allen Teilen des Landes, aus Hollywood kam ein Flugzeug. Mit Harry Belafonte, Paul Newman, Marlon Brando und Charlton Heston. Joan Baez sang: „We shall overcome“.
Es war aber keine Party. Die Schwarzen – selbst King sprach damals von „Negern“ – durften nicht wählen, sie hatten keine Rechte gegenüber der Polizei. „Freedom Riders“ überwachten, dass Schwarze sich in öffentlichen Bussen überall hinsetzen durften.
In dieser Atmosphäre von Apartheid stellte sich King auf die Stufen des Lincoln Memorials. Hinter ihm das Denkmal des Bürgerkriegs-Präsidenten, auf dessen Sockel nicht die Rede ist von seinem Kampf gegen die Sklaverei. Und unten ein Publikum, das sich zum Anlass der Demo in Anzug und Krawatte und Sonntagskleid geworfen hatte.
Ganze 17 Minuten dauerte die Rede, ein Bruchteil einer bayerischen Bierzelt-Suada, und am Ende tobte die Menge.
„Er ist verdammt gut“, sagte Präsident Kennedy, der die Rede ums Eck im Weißen Haus live im TV verfolgte. Er empfing King gleich danach augenzwinkernd: „I have a dream“. Kennedy kam nicht mehr dazu, die Bürgerrechte in Gesetze zu gießen. Drei Monate später war der Präsident tot. Kennedys unglücklicher Nachfolger Lyndon B. Johnson war es, der die Bürgerrechtsakte samt Wahlrecht 1964 und 1965 umsetzte. Der Südstaatler, der vielen nur als Vietnam-Präsident in Erinnerung ist sagte 1965, die USA müssten „das Erbe von Verlogenheit und Ungerechtigkeit überwinden.“ King bekam in dem Jahr den Friedensnobelpreis.
Am 4. April 1968 wurde Martin Luther King von einem weißen Extremisten erschossen. Er bekam 99 Jahre Gefängnis.
Vergangenes Wochenende begingen Tausende das Jubiläum in Washington mit Demonstrationen. Der Fall des schwarzen Jugendlichen Trayvon Martin, der unbewaffnet von einem Bürgerwehrler erschossen wurde, elektrisiert das Land. Der Täter ist freigesprochen worden.
„Ich kenne das Geräusch, wenn ich die Straßenseite wechsle und die Autosicherungen zuschnappen“, sagte kürzlich ein Schwarzer, als er nach Rassismus gefragt wurde. Am Jahrestag wird dieser Mann am historischen Ort ein Rede halten zu Ehren von Martin Luther King: Es ist Barack Obama, der erste schwarze Präsident der USA. Ohne King und seine Rede wäre er wohl nicht d
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