Mars-Mission: 520 Tage im Simiulator
Moskau – Ende des längsten Isolationsexperiments in der
Geschichte der Raumfahrt: Nach 520 Tagen in einem nachgebauten
Raumschiff sind die sechs Teilnehmer eines simulierten Fluges zum
Mars überglücklich wieder in Freiheit. Die drei Russen, ein Franzose,
ein Italiener sowie ein Chinese stiegen am Freitag in Moskau in
blauen Overalls vor Freude strahlend aus dem röhrenförmigen
Forschungsmodul. „Es war eine Ehre, dabei zu sein. Ich freue mich auf
Tage, die nicht durchgeplant sind“, sagte der Italiener Diego Urbina,
der an dem Experiment Mars500 teilgenommen hatte.
Gegen 11.00 Uhr MEZ öffneten Mitarbeiter des Instituts für
Biomedizinische Probleme (IMBP) eine versiegelte Luke, um die
Isolationsstudie planmäßig zu beenden. Das Experiment gilt als
wichtiger Schritt zu einem echten Flug zum Mars. Russland hofft, in
mehr als 20 Jahren – Mitte der 2030er Jahre – erstmals einen Flug zum
Roten Planeten umzusetzen.
Frauen empfingen die etwas blassen, aber glücklichen Männer mit
Rosen. Umarmungen oder andere Berührungen waren aber wegen der
Ansteckungsgefahr nicht erlaubt. Wissenschaftler aus Russland und
Deutschland sowie Familienangehörige nahmen die Männer mit heftigem
Applaus in Empfang. Angehörige winkten von einer Tribüne in dem
Forschungszentrum den nach anderthalbjähriger Isolation entlassenen
Männern zu.
Kurz danach wurden sie zu einer dreitägigen ärztlichen
Untersuchung gebracht. Zwischen den „Marsonauten“ und den Zuschauern
gab es ein Absperrband. „Die sauerstoffreichere Atemluft hier draußen
wird in den Köpfen der Crew ein ganz besonderes Euphoriegefühl
auslösen“, hatte IMBP-Experte Alexander Suworow vor dem Ende des
Experiments angekündigt.
Die Teilnehmer simulierten seit dem 3. Juni 2010 genau 17 Monate
lang den mehr als 50 Millionen Kilometer weiten Flug zum Mars und
zurück, inklusive eines virtuellen Spaziergangs auf dem Roten
Planeten. „Wir haben gezeigt, dass wir eine so lange Weltraummission
absolvieren können“, sagte der Franzose Romain Charles. „Wir haben
den ersten Schritt zum Mars unternommen. Alles andere liegt jetzt in
den Händen von Ingenieuren und Ärzten“, betonte der Russe Suchrob
Kamolow.
Das etwa zehn Millionen Euro teure Projekt, an dem sich auch das
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Europäische
Weltraumbehörde Esa beteiligt hatten, soll Erkenntnisse für die
Mission zum Mars in einigen Jahrzehnten bringen. Eine solche Reise
würde vermutlich fast zwei Jahre dauern – daher die gut 500 Tage in
Isolation.
Die „Marsonauten“ wollen am 8. November während einer
internationalen Pressekonferenz in der russischen Hauptstadt
ausführlicher von ihren Erfahrungen berichten. An dem Experiment
hatten Alexander Smolejewski, Alexej Sitjow, Suchrob Kamolow (alle
aus Russland), Wang Yue (China), Romain Charles (Frankreich) sowie
Diego Urbina (Italien) teilgenommen.
Nach Angaben von Wladimir Popowkin, dem Chef der russischen
Raumfahrtbehörde Roskosmos, waren die Teilnehmer aus 6000 Bewerbern
ausgesucht worden. Sie hatten während der Isolation kaum Kontakt zur
Außenwelt und wurden von Medizinern und Psychologen beobachtet. Nach
russischen Angaben interessierte etwa, ob die heterosexuellen Männer
in Ermangelung von Frauen Gefühle füreinander entwickelten.
„Nicht in den Gedanken und auch nicht in den Handlungen war
irgendetwas, was auf eine Linkspolung hingedeutet hätte“, meinte der
Vizedirektor des Projekts, Mark Belakowski. Die Männer hätten
vielmehr eine echte Freundschaft entwickelt. Nach Angaben Moskauer
Medien erhielten die Russen drei Millionen Rubel (70 000 Euro) für
ihre Teilnahme. Der Betrag war erhöht worden, nachdem die Summe für
die westlichen Teilnehmer bekanntgeworden war – Charles und Urbina
bekamen nach inoffiziellen Angaben mindestens 70 000 Euro.
Wissenschaftler der Universität Erlangen nutzten das Projekt, um
die Balance des Salz- und Wasserhaushalts zu analysieren. Mehr als 30
Kameras übertrugen das Geschehen im Container – abgesehen von den je
drei Quadratmeter „großen“ Privatkammern – in einen nahen
Kontrollraum. Die Männer müssten nun noch mehrere Wochen für
nachträgliche Tests zur Verfügung stehen, sagte Peter Gräf vom DLR.
„Die ganz große Freiheit ist das nach dem Ausstieg noch nicht.“
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