»Man kann sich ihm nicht entziehen«

Er ist Sinnbild für Gewaltfreiheit, lebt seine Philosophie vor, ist laut einer Umfrage in Deutschland beliebter als der Papst: Warum der Dalai Lama hierzulande so viele Menschen fasziniert.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Erobert die Herzen, wo immer er ist: der Dalai Lama
dpa Erobert die Herzen, wo immer er ist: der Dalai Lama

MÜNCHEN/LHASA - Er ist Sinnbild für Gewaltfreiheit, lebt seine Philosophie vor, ist laut einer Umfrage in Deutschland beliebter als der Papst: Warum der Dalai Lama hierzulande so viele Menschen fasziniert.

Er selbst wird nicht müde zu betonen, er sei nur ein „einfacher buddhistischer Mönch“. Mit dieser Einschätzung allerdings steht der 14. Dalai Lama, geboren unter dem Namen Tenzin Gyatso, ziemlich alleine da. Der chinesischen Führung gilt das Oberhaupt der Tibeter als „Teufel mit dem Gesicht eines Menschen“, den Tibetern als „Ozean des Wissens“. Und auch hierzulande ist der 72-Jährige für viele ein Held, hat fast schon den Status eines Popstars.

Seinen Vorträgen lauschen Zehntausende Besucher, seine Bücher – von den „Ratschlägen des Herzens“ bis zu den „Vier edlen Wahrheiten“ – landen regelmäßig auf den Bestseller-Listen. Eine Umfrage zufolge ist der Dalai Lama sogar beliebter als der Papst.

Man spürt einen ganz besonderen Menschen

„Ich bin kein Buddhist“, sagt Kai Müller, Deutschland-Chef der International Campaign for Tibet (ICT). „Aber wenn man dem Dalai Lama gegenübersteht, spürt man einfach, dass er ein ganz besonderer Mensch ist.“ Das eigentliche Faszinosum aber sei nicht das Charisma des Dalai Lama, sondern sein Weg der Gewaltfreiheit – und die „sehr einfache praktische Vernunft“, mit der er in Talkrunden die Gäste entwaffne. „Dem kann man sich gar nicht entziehen“, sagt der Jurist, der sich seit Jahren für die Menschenrechte einsetzt.

So wie Müller geht es vielen Deutschen: Sie verehren den Dalai Lama – und machen sich persönlich für die Tibeter stark. Die ICT hat mehr als 8000 Unterstützer und Paten, darunter Prominente wie Hannes Jaennicke und Ralf Bauer.

"Die Welt darf nicht wortlos bleiben"

Bauer engagiert sich seit Jahren für Tibet. Er organisiert Hilfsaktionen, sammelt Spenden, tourt mit Mönchen durch Turnhallen, um den Deutschen die Kultur Tibets nahezubringen, „bevor sie nur noch im Museum zu sehen ist“. Derzeit plant der Münchner Schauspieler die Gründung eines Fonds, mit dem Anwälte für angeklagte Tibeter oder Deutschkurse für Exil-Tibeter finanziert werden sollen. Auch bei Demos marschiert der 41-Jährige mit. „Mir geht es darum, mich für Gerechtigkeit einzusetzen und hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen wo es nur geht.“ Die Welt dürfe nicht weiterhin so wortlos bleiben. „Das Internationale Olympische Komitee, die Politiker, wir alle sollten jetzt die Stimme erheben.“

Auch John Friedmann bekannt geworden mit „Erkan & Stefan“, ist einer von denen, die die Stimme erheben. Innerhalb von einer Woche ist der Münchner Schauspieler zwei Mal für Tibet auf die Straße gegangen. „Mich fasziniert am Dalai Lama, dass er über Jahrzehnte hinweg den gewaltfreien Protest propagiert hat“, sagt der 36-Jährige. Und auch die jahrtausende alte Religion, für die der Dalai Lama steht, hat es ihm angetan: „Der Buddhismus wird für mich immer mehr zur Lebensphilosophie.“

Das Mitgefühl als zentrale Bedeutung

„Da geht es um ganz banale Dinge. Wie ich mich im Straßenverkehr oder beim Zusammentreffen mit vielen anonymen Menschen verhalte. Ich versuche mehr aus mir selbst rauszugehen und zu vergegenwärtigen, wie sich mein Gegenüber fühlt.“ Dieser Aspekt des Buddhismus, das Mitgefühl, hat auch für Ralf Bauer elementare Bedeutung. „Das ist etwas, was man wirklich ganz konkret angehen kann.“ Mit dem flexiblen, bewussten Umgang mit der Zeit, den er an seinen tibetischen Freunden schätzt, tut sich Bauer dagegen noch etwas schwer. Kurz vor dem verabredeten Telefonat mit der Redakteurin, erzählt er, „hab ich noch den Müll runtergebracht und bin dann schnell die Treppe wieder hochgerast, damit ich rechtzeitig am Telefon bin.“

Richtig ärgern aber mag er sich über solche Dinge nicht. Denn der Buddhismus ist für ihn keine dogmatische Religion, sondern eine lebbare Philosophie. „Der Dalai Lama lebt das vor, und dafür respektiere ich ihn sehr. Aber die Tibeter sind keine erleuchteten Buddhas, sondern Menschen auf ihrem Weg. Und das gilt auch für den Dalai Lama.“

Vera Tichy

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.