Männer und Maschinen
Ganz Deutschland ist aufgekratzt im Espresso-Boom: Die AZ ging auf die erste Caffè-Universität in München.
VON MATTHIAS MAUS
Das feingeschnittene Gesicht wird länglich, die Mundwinkel verziehen sich: „Ich hab alles falsch gemacht,“ sagt Siegfried Specht mit gespielter Traurigkeit: „Ich dachte, ich würde mich auskennen.“ Doch der graumelierte Herr muss dazulernen – so wie die anderen sechs Männer, die sich für Kaffee-Connaisseure hielten, für Espresso-Experten, bis sie hierher kamen in die „Università del Caffè della Germania“ zu München.
Eine Bildungsstätte mit hochtrabendem Namen ist das, in einem Büro-Flachbau, dort wo Sendling am wenigsten pittoresk ist. Und doch geht es um Kultur – und um den heiligen Ernst, mit dem sich Deutsche in etwas verbeißen können, das unter den Oberbegriff italienische Lebensart fällt.
Kein Münchner Stadtviertel ohne Espresso-Bar. Kaum ein Business-Lunch ohne abschließende Stippvisite beim Barista („Ein Macchiato, Luigi!“). Die funkelnden Maschinen zieren immer mehr Koch-Studios, die mal „Küche“ hießen und in denen das Superperfektepromidinner entsteht – mit abschließender Kaffeekrönung. Und wer hinschaut, der stellt fest: Espresso ist weitgehend Männer-Sache. „Die Maschin war vui z’deier, als dass i do mei Frau hi loss!“, sagt Max Kettel, („I hob die neie Miele“) und es wird nicht klar, ob er nur Spaß macht.
Die Kaffeekommilitonen haben den „Privatkurs“ gebucht, „Basis-“ und gar „Maestro-Kurs“ gibt’s auch. Aber heute ist Amateur-Stunde. Abteilungsleiter, Bauingenieur, Journalist, Textilkaufmann: „Ich bin extra aus Töging raufgefahren“, sagt Max Brandl.
Wir sollen nichts weniger lernen als „den perfekten Espresso“, nebst Geschichte und den Umgang mit Mühlen und Maschinen. Vier Stunden lang Kaffeekochen. Es wird trotzdem kurzweilig.
„Wir sprechen vom weltweit meistgetrunkenen Getränk“, sagt Matthias Gerber. Neben Öl ist Kaffee der zweitmeistgehandelte Rohstoff der Welt, weiß unser freundlicher Dozent, „jeder Deutsche trinkt 160 Liter pro Jahr“. Schon Beethoven zählte sich täglich 60 Bohnen der Pflanze ab, die ursprünglich aus dem äthiopischen Hochland kommt, und mittlerweile in den tropischen Hochländern Asiens und Südamerikas wächst.
Der Komponist lag übrigens fast richtig mit seiner Menge: „Sieben Gramm Kaffee, rund 50 gemahlene Bohnen, bei 88 bis 92 Grad unter einem Druck von neun Bar durchgepresst, (selbstverständlich durch die „Siebträger-Maschine“) das ist die Zauberformel für 30 Milliliter Espresso. Aber soweit sind wir noch nicht.
Das ist hier kein Blender-Seminar, unter der Ägide des Großrösters und Uni-Betreibers „Illy“ wird Wissen vermittelt und Wissenschaft. „Erst mal müssen wir schmecken lernen, sagt unser professore Gerber, der noch weniger italienisch wirkt als die Seminaristen.
„Süß!“ – „Nein, salzig!“ korrigiert der Lehrer die Geschmacksbeschreibung nach Verkostung aromatisierter Wässerchen: Die Schüler lernen, vor allem die Demut. Wenn man seiner Zunge schon nicht trauen kann, wie sollen dann die 800 Kaffee-Aromen rausschmecken?
Trost naht in Form des wahrlich sensationellen Caffè. Der Lehr-Barista, gelernter Küchenmeister übrigens, zaubert ihn aus einer der Maschinen, die in einer Batterie aufgereiht wirken wie ein Schiffsdiesel. Düsen, Hebel, Armaturen.
„Ein Espresso dauert 30 Sekunden“, doziert Gerber, „nicht mehr und nicht weniger“: „Wir regulieren das durch den Mahlgrad: Je feiner, desto länger braucht der Extrakt. „Achten Sie auf die Marmorierung der Crema“, sagt der Lehrer, Der Fachmann spricht vom Tigerfell“. Und vom „Tigerauge“, das den letzten helleren Tropfen markiert. Der – im Idealfall – haselnuss- bis rötlich-braune Schaum besteht übrigens aus Kohlensäure, wie beim Bier, ehrlich wahr!
Bevor sich die Schüler fragen, ob sie das alles so genau wissen wollen, gehen Sven Linkhorst („Ich hab’ die Jura Impresa S9“) und Siegfried Specht („Alessi Coban“) an den Cappuccino. Die Stimmung ist jetzt deutlich aufgekratzt, man will ja auch mal probieren. „Wenn die Kanne für Handfläche zu heiß wird, dann hat die geschäumte Milch die richtige Temperatur“, sagt Gerber. Stimmt.
Ach, und natürlich das Herzchen im Schaum, das will jeder hinkriegen. Doch auch wenn die Hand geführt wird, bei ersten mal werden doch meist „Lindenblätter“ oder nur weiße Klekse draus. Im zweiten Versuch allerdings steigt die Lernkurve und die Laune der Studenten.
Zieht euch warm an, Baristi dieser Stadt – hier kommt die Konkurrenz! Die Sitzung endet, der Lehrer entlässt die Schüler mit einem Lob in eine schlaflose Nacht.
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