Männer im Nachteil: So gefährlich ist der Bierbauch

Forscher beweisen: Für das Infarkt-Risiko ist wichtig, wo das Fett sitzt. Männer sind im Nachteil, denn schlimm ist der Bauchspeck. Und so testen Sie, ob Ihr Körper im Risikobereich ist.
Millionen Deutsche quält die Frage: Bin ich zu dick? Und bislang gab es eine vermeintlich zuverlässige Antwort: Den Body-Mass-Index, kurz BMI. Doch jetzt haben Wissenschaftler in einer großen Studie zum ersten Mal gezeigt, dass der BMI nichts über das Krankheitsrisiko aussagt. Denn entscheidend ist, wo die Fettpolster am Körper verteilt sind – und darüber geben andere Formeln besser Auskunft.
Das hat der Münchner Endokrinologe Harald Schneider in einer groß angelegten Studie für die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) mit 11000 Probanden herausgefunden. An der Studie waren auch die Unis Greifswald, Dresden und Lübeck beteiligt.
Die AZ fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen.
Was galt bisher? Bislang hat man Über- oder Untergewicht nach dem BMI ausgerechnet (siehe Infokasten). Dieser Index geht auf einen belgischen Mathematiker zurück, Bedeutung erlangte er, als amerikanische Lebensversicherer ihn zunehmend bei der Risikobewertung und Prämienberechnung verwendeten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt diese Formel zur Berechnung von Über- oder Untergewicht.
Warum kritisieren Experten den BMI? Ein Kritikpunkt ist, dass der BMI nur nach Gewicht geht, aber nicht die Muskelmasse berücksichtigt. „Arnold Schwarzenegger hat zum Beispiel einen BMI von knapp 32, was übergewichtig wäre“, sagt Schneider. „Aber der Wert ist nur wegen der Muskeln so hoch und die sind nicht gesundheitsschädlich.“
Außerdem, so zeigt die neue Studie, „sagt der BMI nichts über das Krankheitsrisiko aus“, sagt Experte Schneider. Rund 11000 Menschen wurden für die Studie ausgemenssen und acht Jahre wurde ihre gesundheitliche Entwicklung beobachtet. Beim BMI spiele es keine Rolle, wo Fettpolster am Körper verteilt sind – es geht nur um das Gewicht. Aber: „Fett an Hüften und am Gesäß ist unbedenklich, während das Bauchfett schädlich ist.“ Ernährungsmediziner Stephan Jacob sagt: „Bauchfett ist mehr als ein Schönheitsfehler, es ist eigentlich eine Krankheit“.
Waum ist Bauchfett so schädlich? Der Speck um den Bauch ist gefährlicher als Fett an Oberschenkeln und Po, weil er schädliche Fettsäuren und Botenstoffe in den Körper abgibt. Das fördert Entzündungen und steigert das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko.
Wie lässt sich das Risiko stattdessen berechnen? Neben dem BMI wurden bei der Studie weitere Werte betrachtet: Der WHR (englisch: Waist-Hip-Ratio), also das Verhältnis von Hüft- zu Taillenumfang und der WHTR (englisch: Waist-toHeight-Ratio), also Verhältnis von Taillenumfang zu Körpergröße. Am aussagekräftigsten ist laut der Studie der WHTR. „Je höher dieser Wert ist, desto größer ist das Krankheitsrisiko“, sagt Schneider. Ob ein Mensch einmal einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erleidet, lässt sich mit dem WHTR am besten abbilden. Der WHR hingegen habe der Studie nach kaum Aufschlüsse auf das Risiko zugelassen – und der BMI versagte auf ganzer Linie. Schneider hofft deshalb, dass die „medizinischen Fachgesellschaften und WHO ihre Empfehlungen für die Körperfettmessung bald ändern“.
Um den WHTR zu berechnen, braucht man ein Maßband und einen Taschenrechner (siehe unten).
Wieso gibt es Bauchfett überhaupt? Sinn machen die Speckröllchen, weil sie schnell Energie liefern – das war früher überlebenswichtig. Aber: „Heute baut der Körper diese Reserven kaum ab, besonders, wenn man den ganzen Tag im Büro sitzt und keinen Sport treibt“, sagt Schneider.
Wer setzt Bauchfett an? Man unterscheidet zwischen dem „Apfeltyp“ und dem „Birnentyp“ – ersterer legt bei Fettzunahme vor allem am Bauch zu, der Birnentyp eher an Hüften, Po und Oberschenkeln. Ob man Apfeltyp oder Birnentyp ist, ist Veranlagung. Allgemein gilt aber, dass Männer eher zum Bauchansatz neigen und Frauen bei Fettzunahme oftmals erst an Hüften und Beinen zulegen.
Was kann man gegen Bauchfett tun? „Die gute Nachricht ist, dass das Bauchfett wieder sehr schnell verschwindet“, sagt Experte Schneider, „etwa durch Bewegung, Ausdauersport und eine gesunde Ernährung.“Kasanobu Serdarov
Ist ihr Körper im Risikobereich? So berechnen Sie den WHTR
Bislang berechnet man Über- und Untergewicht nach der BMI-Formel: Gewicht in Kilogramm geteilt durch Körpergröße in Metern zum Quadrat.
Doch um Krankheitsrisiken abzuschätzen, empfehlen Experten die Berechnung nach dem Waist-to-Height-Ratio, das Verhältnis von Taille zu Körpergröße, kurz WHTR. Berechnet wird er so: Taillenumfang in Zentimetern, geteilt durch die Körpergröße in Zentimetern.
„Wichtig ist, dass man an der richtigen Stelle misst“, sagt Endokrinologe Harald Schneider. „Und zwar zwischen der untersten Rippe und dem obersten Punkt des Beckenkamms – bei den meisten Menschen ist das knapp über dem Bauchnabel.“
Atmen Sie beim Messen leicht ein und ziehen Sie den Bauch nicht ein. Wichtig ist, dass das Maßband parallel zum Boden verläuft.
Teilen Sie den Taillenumfang durch die Körpergröße: Bei einem Wert von 0,5 liegen Sie im optimalen Bereich. „Bei älteren Menschen ist 0,6 noch ok“, sagt Schneider. Kritisch wird es über 0,6: Das Krankheitsrisiko steigt an. In der LMU-Studie mit 11000 Probanden lag der Durchschnitts-WHTR bei 0,55, der Durchschnitts-BMI bei 27,2.
Dass man laut BMI zu dick sein kann, wenn eigentlich alles ok ist und umgekehrt, zeigen die Beispiele:
Ein Mann mit 1,79 m, 80 Kilo und einem Taillenumfang von 119 cm hat einen BMI von 25 (normalgewichtig). Der WHTR beträgt aber 0,66: Vorsicht!
Eine Frau mit 1,65 m, 71 Kilo und 86 cm Taillenumfang wäre mit einem BMI von 26 übergewichtig. Ihr WHTR ist aber mit 0,52 im grünen Bereich.