Löst ein Star-Pathologe die Rätsel des Pharaos?

Frank Rühli, ein Star seiner Zunft, will den Tod des Königs entschlüsseln. Der junge Schweizer untersuchte den Leichnam Tutanchamuns. Heute hält er in München einen Vortrag
von  Abendzeitung
Der Popstar aus dem Niltal: Tutanchamun
Der Popstar aus dem Niltal: Tutanchamun © dpa

Frank Rühli, ein Star seiner Zunft, will den Tod des Königs entschlüsseln. Der junge Schweizer untersuchte den Leichnam Tutanchamuns. Heute hält er in München einen Vortrag

Frank Rühli steht auf alte Menschen. Je älter, desto besser. Am besten um die 3000 Jahre, wie Tutanchamun. Dabei ist der Schweizer Pathologe und Leiter des „Swiss Mummy Project“ erst 37 und bereits einer der führenden Mumienforscher der Welt. Heute hält er einen Vortrag in München. Thema: „Neue Erkenntnisse um die Mumie Tutanchamuns“.

Vor vier Jahren durfte der Mediziner der Universität Zürich den ägyptischen Pharao untersuchen, den Popstar vom Nil. Per Computertomografie. Rühli glaubt zu wissen, was die Menschen an dem jungen Mann interessiert, der der nach Schätzungen bis 1323 vor Jesus Christus in Ägyptern regierte und schon mit 19 Jahren starb. „Er hat eine spannende Story und ist so früh gestorben. Das hat einen gewissen Reiz, wie bei Lady Di oder John F. Kennedy.“

Der frühe Tod eines unermesslich Reichen

Dazu kommt der unermessliche Reichtum Tutanchamuns, den der britische Archäologe Howard Carter 1922 im Tal der Könige entdeckte. „Diese Goldschätze suchen seinesgleichen“, sagt Rühli. „So reich ist vor und nach Tutanchamun wahrscheinlich niemand je gewesen. Trotzdem haben sie ihm kein Glück gebracht.“

Seit über 80 Jahren rätseln Forscher über die Umstände seines Todes. Einen endgültigen Beweis für eine der vielen Theorien konnte bislang keiner liefern. Doch Rühli ist ziemlich nah dran. Einen Mord kann er ausschließen, und auch Gerüchten, Tutanchamun sei „ein Schwächling“ gewesen, widerspricht er. Er glaubt, dass ein offener Bruch oberhalb des linken Kniegelenks für Tutanchamuns Tod verantwortlich ist. „Wenn das zu seinen Lebzeiten passiert ist, war es wahrscheinlich tödlich.“ Blutvergiftung, Infektion oder einfach extremer Blutverlust – daran könnte er gestorben sein. Nur: Der abschließende Beweis fehlt.

Die Mumie aufschneiden - heute undenkbar!

Genauso wie ein Beleg für eine andere Vermutung, die in Forscherkreisen heiß diskutiert wird: Bislang ging man davon aus, dass sich nach der ersten Untersuchung während der Zwanziger Jahre und 1968 niemand an Tutanchamuns Leichnam zu schaffen machte. Jetzt machen Gerüchte die Runde, dass während des Zweiten Weltkriegs jemand die Totenruhe gestört haben soll. „Es hat sich etwas verändert im Grab“, sagt Rühli. „Womöglich wurde der Leichnam weiter zerstört.“

Rühli hätte Hemmungen, Tutanchamun einfach aufzuschneiden, in seine Einzelteile zu zerlegen und Gliedmaßen abzuschneiden, wie es das Team um Carter in den Zwanzigern tat. „Das war damals einfach eine andere Zeit“, sagt Rühli. „Heute wäre so etwas undenkbar.“ Die Schäden, die die Archäologen damals am Leichnam anrichteten, erschweren den Forschern heutzutage die Arbeit. „Da wurden massiv Beweise vernichtet.“ Rühlis Ziel: bei allen Untersuchungen die Mumie möglichst wenig zu zerstören. „Ich versuche, mit ihm wie mit einem Patienten umzugehen.“

Der alte Pharao kann die moderne Medizin noch was lehren

An der Mumienforschung faszinieren Rühli die Gegensätze. Jahrtausende alte Leichen und modernste Medizinische Geräte, die auf seinem Arbeitstisch aufeinander treffen. Doch Rühli blickt nicht nur in die Vergangenheit. „Wenn wir das Gewebe von Mumien auf Infektionen oder Krankheiten untersuchen, können wir auch für die moderne Medizin Erkenntnisse gewinnen.“

In Zukunft hat Rühli mit seinem alten Freund noch eine Menge vor. Die inneren Organe würde er gerne untersuchen. Und die beiden Föten, die wahrscheinlich Tutanchamuns Kinder sind und ihm als Grabbeigabe in den Sarg gelegt wurden. Außerdem könnte man Tutanchamun mit anderen ägyptischen Mumien vergleichen – und so feststellen, ob sie verwandt sind, welche genetischen Krankheiten sie hatten. Eine Menge Arbeit.

Christoph Landsgesell

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