Locker im Sommer: Arbeitsregeln bei Hitze

Draußen 30 Grad Hitze und auch im Büro ist es stickig: Da macht sich mancher frei. Wie frei noch erlaubt ist und worauf Anspruch beim Arbeitgeber besteht.
von  Martina Scheffler
Hitze im Büro: Welche Kleiderordnung gilt?
Hitze im Büro: Welche Kleiderordnung gilt? © imago

München - Nach einer kurzen Verschnaufpause wird es zum Wochenstart wieder heiß. Wer es sich nicht im Homeoffice gemütlich machen kann, muss etwas mehr auf seine Kleidung achten – doch vieles ist heutzutage erlaubt, was noch vor 20 Jahren mindestens hochgezogene Augenbrauen beim Chef hervorgerufen hätte.

"Es hat sich viel geändert im Auftreten", sagt Claudia Sorg-Barth, Pädagogin und und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung, der AZ. Corona habe mehr Lockerheit gebracht, und auch eine neue Generation setze nun neue Standards. Turnschuhe seien noch vor 20 Jahren in manchen Branchen verpönt gewesen. Vor etwa 40 Jahren gehörten geschlossene Schuhe für Männer und Frauen zur angemessenen Kleidung bei der Arbeit. Inzwischen seien auch Flipflops möglich.

Kleidung im Büro: Sauberkeit, Ordentlichkeit und Qualität

Wichtig sei aber immer der Dreiklang Sauberkeit, Ordentlichkeit und Qualität. Gepflegt, so Sorg-Barth, sollten die Füße also schon sein, wenn man sie denn vorzeigt. Was heute in Ordnung ist, sei eher von der Frage bestimmt, ob man im Kundenkontakt stehe oder nicht. "Es gibt gar nicht so viele No-Gos." Theoretisch sei, abhängig von Rolle und Funktion, alles erlaubt.

So sieht es auch Stiftung Warentest: Vorgaben zur Kleiderordnung könne eine Firma eher machen, wenn es dort mehr Kundenkontakt gebe. Auch Schutz- oder Hygienemaßnahmen können demnach die freie Wahl des Outfits einschränken. Die kurze Hose im Büro könne ein Vorgesetzter zwar verbieten – dann müsse er aber dafür sorgen, dass der Arbeitsraum nicht zu heiß ist.

Kleidungsregeln beim Arbeitgeber: Den Dresscode erfragen

Wer sich unsicher sei, wie viel Haut er zeigen darf, könne den Dresscode für die heiße Zeit bei einer Führungskraft erfragen, rät Sorg-Barth, oder, wenn man neu im Unternehmen ist, auch bei Kollegen. Welcher Stil möglich sei, sei auch immer mehr eine Frage dessen, was einem selbst wichtig ist und was man mit der eigenen Kleidung ausdrücken möchte. Als Statussymbol gelte diese jedenfalls nicht mehr, abgesehen von Branchen, in denen mit der Garderobe auch Kompetenz ausgedrückt werde, wie Banken oder Versicherungen.

Bei jüngeren Menschen könne im Gegenteil eine Unternehmenskultur, bei der Chef oder Mitarbeiter auch bei großer Hitze noch Krawatte tragen, eher negative Effekte haben. Im "war for talents", also dem Kampf um Nachwuchskräfte, sei so etwas eher hinderlich, sagt die Karriereberaterin. Hitzetage sorgen aber auch in anderer Hinsicht im Arbeitsalltag oft für Diskussionen. Um den schwitzenden Arbeitnehmern entgegenzukommen, seien in den letzten Jahren "gute betriebsindividuelle Modelle zum Schutz bei Hitze entwickelt" worden, teilt die vbw – Vereinigung der bayerischen Wirtschaft mit.

Wenn es im Sommer heiß wird: Kein Recht auf "Hitzefrei" im Büro

Neben der Lockerung von Kleidungs- seien auch Gleitzeitregeln und die Bereitstellung geeigneter Getränke möglich, sagt vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Bei Wärme im Büro ergäben sich aber auch bei Temperaturen von mehr als 26 Grad noch keine unmittelbaren arbeitsrechtlichen Folgen. Ein Recht auf "Hitzefrei", wie man es vielleicht aus Schulzeiten kennt, gebe es nicht, sagte Brossardt. Ebenso bestehe kein Recht auf den Einsatz einer Klimaanlage.

Eine gesundheitliche Gefährdung müsse der Arbeitgeber aber verhindern. "Im Betrieb müssen jedenfalls Fenster oder Glaswände, durch die es zu einer deutlichen Erhöhung der Raumtemperatur kommen kann, mit geeigneten Sonnenschutzsystemen ausgerüstet werden. Es ist aber Sache jedes einzelnen Unternehmens, nach den betrieblichen Verhältnissen Lösungen zu finden", sagt Brossardt. Der Gang ins Homeoffice sei eine Möglichkeit, aber ein Anrecht habe man darauf nicht.

Mehr als 26 Grad Raumtemperatur nur bei gleichzeitiger Isolierung des Gebäudes gegen Sommerhitze zulässig

Auch die IG Metall weist darauf hin, dass eine Raumtemperatur von mehr als 26 Grad nur dann zulässig sei, "wenn bei Fabriken und Büros auf gute Isolierung gegen Sommerhitze geachtet wird, Fenster und Glaswände einen Sonnenschutz besitzen und die Außentemperatur 26 Grad übersteigt". Weitere Maßnahmen müssten bei Überschreiten der 30-Grad-Marke ergriffen werden, wie etwa Lüften in den frühen Morgenstunden. Bei Temperaturen über 35 Grad dürfe nur mit Hilfsmitteln wie etwa Luftduschen weitergearbeitet werden, so die Gewerkschaft weiter.

Wer die Temperaturen im Büro als zu heiß empfindet, kann auch selbst nachmessen, empfiehlt das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: "Gemessen wird die Lufttemperatur in einer Höhe von 0,6 Metern über dem Fußboden bei sitzender Tätigkeit und 1,1 Metern bei stehender Tätigkeit mit einem wärmestrahlungsgeschützten Thermometer in ˚Celsius." Wenn über 26 Grad gemessen werden, könne man sich etwa an den Vorgesetzten, den Betriebsarzt oder die betriebliche Interessenvertretung wenden.

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