Lkw-Karambolage wegen Facebook

Sie rollen mit 40-Tonnern über die Autobahn, doch manche Fahrer haben statt der stark befahrenen Autobahn ihr Smartphone im Blick. Ablenkung und zu geringer Abstand sind Ursache vieler Lkw-Karambolagen.
dpa |
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Das Surfen oder Chatten mit Smartphones während der Fahrt ist zunehmend Auslöser für Lkw-Karambolagen. (Symbolbild)
dpa Das Surfen oder Chatten mit Smartphones während der Fahrt ist zunehmend Auslöser für Lkw-Karambolagen. (Symbolbild)

Garbsen  - Die Lastwagen fahren dicht an dicht. An den Auffahrten drängeln sich die Autos in die knappen Abstände, um auf die Autobahn zu kommen. Plötzlich Bremslichter, die Kolonne kommt ins Stocken. Situationen wie diese am Dienstag bei Hannover sind immer wieder Auslöser schwerer Unfälle. Hier, auf der Ost-West-Autobahn von Berlin Richtung Ruhrgebiet, einer der am stärksten befahrenen Autobahnen Deutschlands. Und an vielen anderen Stellen in Deutschland.

23 000 Lkw an Spitzentagen sind auf der Route unterwegs, 3101 Unfälle gab es 2013 auf dem niedersächsischen Abschnitt. Die Folgen sind Tote, Verletzte und Millionenschäden. Mit unterschiedlichen Methoden versucht die Polizei seit Jahren, die Gefahr zu bannen.

Zu geringer Abstand, Langeweile und vor allem Ablenkung nennt der Leiter der Autobahnpolizei Garbsen, Friedhelm Stucke, als Ursache vieler Unfälle. In zertrümmerten Führerhäusern fänden die Beamten verschüttetes Essen oder Kaffee und sogar laufende Laptops, auf denen die Fahrer Filme angeschaut hätten.

Auch das Surfen oder Chatten mit Smartphones sei zunehmend Auslöser für Karambolagen. "Wir haben mittlerweile nachgewiesen bei schweren Unfällen, dass Smartphones benutzt wurden." Überprüfungen nach Crashs hätten ergeben, dass die Fahrer gerade etwas in sozialen Netzwerken gepostet hätten, als es krachte. Kleintransporterfahrer disponierten auch bei voller Fahrt neue Aufträge und klickten im Computer herum.

Manche der Fahrer klemmten sich auch mit Absicht an ihren Vordermann, wie die Polizei von osteuropäischen Fahrern gelernt habe, sagt Stucke am Dienstag beim ersten Lkw-Sicherheitstag. Im Windschatten des Vordermanns nämlich sparten die Brummis 15 Prozent Sprit ein, für einen Fahrer mit 500 Euro Monatslohn plus einer Spritpauschale Anreiz genug, sich auf dem Wege einige Euros hinzuzuverdienen. Um die Abstandssünder auszubremsen, fährt die Polizei schweres Geschütz auf: Der zivile Polizei-Bulli der Garbsener Autobahnwache hat für 140 000 Euro Technik auf der Ladefläche, um die Verstöße genau zu dokumentieren.

Einmal um die eigene Achse dreht sich auf dem Rasthof das Führerhaus eines Unfallsimulators des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR). Den Fahrern, die während einer Pause hier Probesitzen soll gezeigt werden, wie es ist, wenn ein Lkw umstürzt, sagt DVR-Experte Jürgen Schöbel. Nur 70 Prozent der Fahrer seien tagsüber angeschnallt, nachts nur ein Viertel, meint er. Fälschlicherweise fühlten sich die Fahrer im Führerhaus sicher. Ein Trugschluss, wie Hauptkommissar Stucke und seine Kollegen angesichts getöteter Fahrer mit schwersten Verletzungen wissen. "Die Unfallfolgen sind drastisch, was auf die Psyche der Kollegen geht."

Zu Fehlern führten "der viele Verkehr und die lange Zeit, die die Fahrer im Führerhaus sitzen", sagt Lkw-Fahrer Stephan Schlömp, der mit einem Lastzug eines Stahlhandels auf den Rastplatz Garbsen-Nord einbiegt. Seit Jahren sei der Druck auf die Fahrer, gerade bei den Speditionen groß. Viele Pkw-Fahrer schätzen außerdem die Verkehrslage falsch ein, brächten die Lastwagen damit in Bedrängnis, meint Schlömp zu den Unfallursachen.

Ebenfalls auf die Pkw-Fahrer schimpft Hans-Jürgen Pagel, der gerade mit einem Handfeger sein Führerhaus auskehrt. "Kurz vor der Abfahrt überholen sie uns, dann scheren sie ein und bremsen, um auszufahren", meint der Fahrer aus Salzgitter. "Ich kann so schnell nicht bremsen, ich habe 25 Tonnen Stahl geladen, die schieben mich." Zwar ist in seinem Lastzug eine Abstandskontrolle installiert, die sei aber kaum eine Hilfe, wenn ihn ein Kollege überhole und direkt vor ihm einschere. Dann löse das System eine Vollbremsung aus - sein Hintermann fahre auf.

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