Lidl ist nicht mehr billig

Die Supermarktkette hat dem Druck der Landwirte nachgegeben und verteuert Butter um 20 Cent, den Liter Milch um zehn Cent. Jetzt wollen die Milchbauern auch den Branchenführer der Discounter in die Knie zwingen.
In den Markt für Milchprodukte kommt Bewegung. Der Discounter Lidl hat angekündigt, den Verkaufspreis je Liter um zehn Cent und für Butter je 250-Gramm-Päckchen um 20 Cent zum kommenden Montag zu erhöhen. Dies teilte der Deutsche Bauernverband (DBV) am Mittwoch in Berlin mit. Der DBV werte dieses Teilergebnis positiv und fordere den übrigen Lebensmitteleinzelhandel auf, diesen Verhandlungsabschluss zu übernehmen. Die deutschen Milchbauern wollen ihren Lieferstopp an die Molkereien zunächst fortsetzen. Das kündigte der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), Romuald Schaber, am Mittwoch in Berlin an.
Die Ankündigung der Supermarktkette («Lidl ist billig»), den Milchpreis um zehn Cent anheben zu wollen, wertete Schaber zwar als Fortschritt. Dennoch reiche dies den Milchbauern noch nicht aus. Für diesen Donnerstag sei ein Gespräch zwischen dem BDM und dem Milchindustrieverband «in Aussicht gestellt». Er sei vorsichtig optimistisch, dass es dabei Fortschritte geben werde. Nach den Blockaden zahlreicher Molkereien hatten die Bauern ihren Protest am Mittwoch vor allem gegen die großen Discounter gerichtet: «Aldi und Lidl müssen die Preise wieder hochziehen, damit der Bauer, und zwar jeder, zu seinem Recht und zu seinem kostendeckenden Preis kommt», sagte Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands (BDV) dem WDR. Mit Schleppern und Protestschildern wie «Milch ist ihren Preis wert» versammelten sich allein vor der Aldi-Süd-Zentrale rund 400 Bauern im nordrhein-westfälischen Mülheim. Vor der Essener Aldi-Nord-Zentrale kamen rund 40 Landwirte zusammen.
Aldi als erster Dominostein
Mehr als 200 Milchbauern fuhren am Mittwoch mit Traktoren beim Handelsriesen Aldi Süd vor. Die Unternehmenszentrale in Mülheim an der Ruhr, auf die nur ein vergleichsweise kleines Schild wie an jeder beliebigen Filiale hinweist, war Treffpunkt besorgter Landwirte aus Nordrhein- Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Mit Kuhglocken und Trommeln brachten sie die Forderung nach höheren Milchpreisen vor. Aldi wurde vorgeworfen, Auslöser des Milchpreis-Abrutsches im Frühjahr gewesen zu sein. «Ihr habt den ersten Dominostein, der alle anderen mit umgerissen hat, angestoßen», rief der Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes, Friedhelm Decker. Aldi müsse Verantwortung zeigen auch für die Belange der Milchbauern. Der BDM begrüßte die Aktionen: «Es handelt sich zwar nicht um eine konzertierte Aktion mit dem BDV, aber wir unterstützen die Proteste natürlich», sagte ein Sprecher. Nach Ende der Blockaden warte man nun auf ein positives Signal der Milchindustrie und des Einzelhandels. Aldi Süd erklärte, man sei sich der Verantwortung einer sorgfältigen Preisgestaltung bewusst. Intensiven Gespräche mit den Molkereien stehe der Konzern auch in Zukunft zur Verfügung.
Im Chiemgau bekommen die Bauern 43 Cent
Unterdessen erhöhte die erste Molkerei den Milchpreis nach eigenen Angaben auf 43 Cent je Liter. Mit dieser Aktion gingen die Milchwerke Berchtesgadener Land-Chiemgau in Vorleistung, da beim Handel die notwendigen Preiserhöhungen erst durchgesetzt werden müssten. Für Donnerstag kündigte der Deutsche Bauernverband (DBV) einen «nationalen Milch-Aktionstag» an und rief alle Milchbauern zur Teilnahme auf. Weitere Demonstrationen, Aktionen bei Molkereien und Konvois will der Verband den Druck in den laufenden Verhandlungen zwischen Molkereiwirtschaft und Handel erhöhen. Möglichen Schadenersatzforderungen sah der BDM «gelassen entgegen». Er sei optimistisch, dass sich Molkereien und Bauern einigen werden, sagte BDM-Sprecher Franz Grosse. Mehrere Betriebe hatten Regressansprüche angekündigt.
Lücken schließen sich schnell
Unterdessen wurden die Supermärkte wieder im üblichen Umfang beliefert. «Alle Geschäfte verfügen über ausreichend Molkereiprodukte, um die Kunden zu versorgen. Die Lücken bei einzelnen Marken, die durch die Blockade punktuell entstanden waren, schließen sich schnell», teilte der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands HDE, Stefan Genth, mit. Fränkische Milchbauern setzten ihre Mahnwache vor der Zentrale des Discounters Norma in Fürth fort. Die Demonstranten vor dem Hauptsitz des größten deutschen Lebensmittel-Einzelhändlers Edeka in Hamburg wollten in den nächsten Tagen eine Mahnwache einrichten. Die Molkerei-Blockaden, die im Rahmen des Milchboykotts errichtet wurden, waren nach einer entsprechenden Empfehlung des BDM binnen weniger Stunden geräumt worden.
88 Prozent würden mehr zahlen
Die Bauern wollen mit dem seit Dienstag voriger Woche andauernden Lieferboykott einen Milchpreis von 43 Cent je Liter erzwingen. Die große Mehrheit der Bevölkerung ist einer repräsentativen Forsa-Umfrage für das Magazin «stern» zufolge bereit, mehr für ihre Milch zu zahlen. 88 Prozent zeigten Verständnis für eine Erhöhung um zehn Cent, wenn diese den Milchbauern in voller Höhe zugute käme. Sie können sich an einer Unterschriftenaktion des Bauernverbands im Internet beteiligen. Die finanziellen Folgen des Milchboykotts und der Molkerei- Blockaden ließen sich noch nicht exakt beziffern, sagte Heuser. Er könne zwischen 50 Millionen Euro und einer dreistelligen Millionensumme liegen. Noch seien der Imageschaden und die Kosten für die mündlich bereits angedrohten Regressforderungen des Handels unklar. «Das wird später ein Fest für die Anwälte.» (AP/dpa)