Letzte Sendung "Domian": Seelenstriptease, Sorgentelefon und eine Frau aus Hack

Tausende Menschen haben Jürgen Domian nachts ihr Herz ausgeschüttet und ihm und seinem Publikum von ihren Sorgen erzählt. Doch damit ist nun Schluss. Die letzte "Domian"-Sendung steht bevor.
dpa,az |
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Heute Nacht ist Schluss: Jürgen Domian geht zum letzten Mal auf Sendung.
WDR/Ludolf Dahmen Heute Nacht ist Schluss: Jürgen Domian geht zum letzten Mal auf Sendung.

Köln - Für viele Schlaflose und Sorgengeplagte kaum vorstellbar, doch nun ist es soweit: Domian hört auf. In der Nacht auf Samstag wird der Moderator zum letzten Mal mit seinem Telefontalk im WDR-Fernsehen und bei Radio 1Live auf Sendung sein. Er wolle endlich auch mal ein normales Leben führen und wieder häufiger die Morgensonne sehen, erklärte er, als er vor anderthalb Jahren seinen Abschied ankündigte.

Seinen Entschluss habe er bis heute nicht bereut, sagte der 58-Jährige wenige Tage vor seiner letzten Sendung im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Köln. "Natürlich ist auch etwas Wehmut dabei, die Sendung ist so verwachsen mit meinem Leben. Aber alles hat seine Zeit." In den vergangenen Monaten seien in der Redaktion massenweise Mails von Menschen eingegangen, die traurig seien, weil sie demnächst niemanden mehr hätten, an den sie sich mit ihren Anliegen wenden könnten. Domian wirkt geradezu betreten, als er davon erzählt. Aber er möchte eben nicht mehr der Kummerkasten der Nation sein - jedenfalls nicht nachts.

Domians private Geständnisse bauten Vertrauen auf

Was treibt wildfremde Anrufer dazu - rund 25 000 waren es seit dem Start 1995 -, Domian und damit gleichzeitig der Öffentlichkeit ihr Herz auszuschütten? "Viele Menschen haben leider keinen richtig guten Freund, mit dem sie über Probleme sprechen können, ganz zu Schweigen von der Sprachlosigkeit, die oft zwischen Ehepartnern herrscht", meint der Journalisten.

Auch, dass er seinem Publikum schon früh Dinge von sich selbst erzählte - zum Beispiel über seine Bisexualität oder seine frühere Bulimie-Erkrankung - habe geholfen, Vertrauen aufzubauen und andere Menschen ermutigt, ihm umgekehrt solche Geschichten anzuvertrauen. Und so wenden sie sich an Domian, erzählen ihm von schlimmen Krankheiten, ausgefallenen Sexspielchen, dunklen Fantasien und Verbrechen. Im Hintergrund sitzen Psychologen, die den Anrufer bei Bedarf weiter beraten.

Die Art der Gespräche habe sich im Laufe der 21 Jahre nicht geändert, wohl aber deren Inhalte, hat Domian beobachtet. So spiele das Thema Sexualität - bezogen auf die Gesamtheit der Anrufe - inzwischen längst nicht mehr so eine große Rolle wie früher. Grund sei wahrscheinlich, dass heute jeder im Internet Gleichgesinnte und Antworten auf alles finden könne, so dass wohl eine gewisse Sättigung eingetreten sei, vermutet Domian.


Mehr als 20 Jahre Radiogeschichte: Jürgen Domian 1996, als seine Sendung noch in den Kinderschuhen steckte. Foto: dpa

Fake-Anrufer haben (fast) keine Chance

Hingegen hätten Anrufe, die sich mit Gewalterfahrungen beschäftigten, stark zugenommen. Außerdem seien unter den Hilfesuchenden seit einigen Jahren häufig junge Leute mit Migrationshintergrund, die zwischen zwei Kulturen stünden und nicht mehr dem traditionellen Rollenbild ihrer Eltern folgen wollten.

Bis zu 20 000 Anrufer versuchten jede Nacht zwischen 1.00 und 2.00 Uhr, zu Domian durchzudringen, Mehrfachwähler mitgezählt. Ab und zu kam auch ein Fake-Anrufer durch - wenn auch nur selten, wie der Moderator versichert. "Ganz lässt sich das trotz sorgfältiger Vorauswahl leider nicht vermeiden und hat mich immer dann sehr geärgert, wenn es um vermeintlich ernste und traurige Themen ging." So erweckte im Februar eine Frau den Eindruck, dass sie während des Telefonats mit Domian von ihrem gewalttätigen Freund verprügelt werde - der Polizei gegenüber räumte sie später ein, dass es sich um einen "Scherz" gehandelt habe.

Eine Nachfolgesendung für "Domian" ist seitens des WDR nicht geplant - es sei ein Ausnahmeformat gewesen, das sich nicht so leicht ersetzen lasse, teilte eine Sprecherin zur Begründung mit. Mit der letzten Sendung gehe somit auch ein Kapitel Radio- und Fernsehgeschichte zu Ende.

Domian will in Zukunft weiter Bücher schreiben. Anfang 2017 geht er im Rahmen einer 1Live-Produktion auf eine mehrmonatige Talk-Tournee. "Danach sehen wir weiter." Eines aber sei ganz sicher: "Nach der letzten Sendung werde ich sofort - aber wirklich sofort - meinen Tagesrhythmus umstellen."

Rückblick: Die fünf denkwürdigsten Momente bei Domian

Der Klassiker ist unumstritten der "Mett-Mann": Edwin (26) offenbarte einst seine Vorliebe für Hack. Einmal im Monat, so erzählte er, kaufe er beim Metzger seines Vertrauens um die 60 Kilo Mett. Daraus forme er sich einen Frauenkörper, an dem er sich reibe. Das Hackfleisch sei so "unberührt", erklärte er seine Faszination. Eine solche Aktion koste ihn jedes Mal 800 D-Mark.

Christoph (28) gestand 2008 den Seitensprung mit der Freundin seiner Freundin - und den Tod einer Katze. Kurz vor dem Sex hatte er noch eine Pizza in den Ofen geschoben. In einem unaufmerksamen Moment kletterte auch die Babykatze hinein.

2013 rief Neonazi Sebastian bei Domian an, der aus der Szene aussteigen will. Regelmäßig sei er mit der Gruppe auf Ausländer losgegangen. "Normale Schlägereien. Niemand wurde ins Koma geprügelt."

Nicole (29) aus Kiel machte Domian richtig wütend: Seitdem sie 16 Jahre alt sei, empfange sie Sozialhilfe, habe keine "Lust zu arbeiten". Zu Vorstellungsgesprächen gehe sie im "Jogger mit fettigem Haar". Rund 700 Euro beziehe sie jeden Monat. "Völlig daneben", wetterte Domian und kündigte an, Nicole anzuzeigen.

Manuel (30) behauptete Ende Oktober 2016 steif und fest, dass die Erde eine Scheibe sei. Alles andere sei eine gewaltige Lüge der Regierungen. Domian: "Spinnst du? Willst du mich verarschen?" Aber der Verschwörungstheoretiker geht noch weiter: "Reptiloiden" - reptilienartige Wesen in Menschengestalt - seien dabei, uns okkupieren.

 
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