Leck in französischer Atomanlage
Erst verseuchte Atomfabrik mehrere Flüsse in Südfrankreich, dann wurde ein nachlässiger Umgang mit radioaktivem Müll bekannt, nun gelangte ein weiterer Zwischenfall in die Öffentlichkeit.
Eine neue Panne in einer Atomanlage sorgt in Frankreich für Beunruhigung und scharfen Protest. Nur eineinhalb Wochen nach dem Austritt von 74 Kilogramm Uran in Tricastin wurde ein undichtes Kanalisationsrohr in einer Brennstäbefabrik in Romans-sur-Isère in der Nähe von Lyon entdeckt.
Der Areva-Konzern teilte am Freitag mit, es seien zwischen 120 und 750 Gramm Uran ausgelaufen. Das Uran habe das Grundstück der Anlage aber nicht verlassen und stelle «absolut keine Bedrohung für die Umwelt» dar. Exumweltministerin Corinne Lepage beklagte mangelnde Investitionen in die Sicherheit. Die Atomaufsichtsbehörde ASN gab die neue Panne am Freitag bekannt, nachdem sie am Donnerstagabend über den Vorfall informiert worden war. Nach Angaben des Betreibers war die Leitung schon seit Jahren defekt. Dies sei ein klarer Verstoß gegen die Auflagen, erklärte die ASN.
«Gefährliche, teure und unnützen Branche»
Warum das Leck nicht vorher entdeckt und gemeldet wurde, war zunächst unklar. Das Kanalisationsrohr verband ein Gebäude, in dem Brennstäbe produziert werden, mit einer Verarbeitungsanlage. Das leckende Rohr sei geschlossen worden, teilte der Betreiber mit. Die Verunsicherung über die Schlamperei in den Nuklearzentren ist groß. «Hinter den gehäuften Pannen zeigt sich das Scheitern einer gefährlichen, teuren und unnützen Branche», teilte Greenpeace mit. Während man die Atomkraft als Königsweg zur Energiesicherheit anpreise und den Bau neuer Reaktoren verkünde, werde die schlichte Wahrheit deutlich: «Kernkraft ist schmutzig, gefährlich und wird nicht beherrscht.» Bei Installationen in den Anlagen, die nicht unmittelbar die Reaktoren beträfen, sei die Überwachung weniger streng, räumte auch Umweltminister Jean-Louis Borloo ein.
Umweltschützer erwägen Klagen
In der Nacht zum 8. Juli waren in Tricastin 18.000 Liter eines Reinigungsmittels mit 74 Kilo Uran in zwei Flüsse gelangt. Der Vorfall wurde erst mit einem Tag Verspätung bekanntgegeben. Areva, dessen Tochter Socatri die Zentrale in Tricastin im Rhôhne-Tal betreibt, war danach massiv in die Kritik geraten. Bei der Untersuchung der Strahlenbelastung nach dem Unfall von Tricastin war zudem Uran im Grundwasser festgestellt worden, das bereits früher in die Umwelt gelangt sein muss. Experten vermuten einen Zusammenhang mit einer ungesicherten Atommüll-Deponie in einem Erdhügel, in dem seit den 70er Jahren etwa 760 Kilo uranhaltige Abfälle aus Militärbeständen lagern.
Tricastin-Chef entlassen
Der Umweltschutzdachverband France Nature Environnement (FNE) forderte am Freitag eine öffentliche Untersuchung der beiden Pannen und schloss eine Klage gegen Areva nicht aus. Der Vorfall in Tricastin hat bereits zu Konsequenzen geführt. Die Regierung ordnete eine Überprüfung aller Atommeiler an. Auch das Grundwasser nahe der Reaktoren und Aufbereitungsanlagen wird überprüft, Umweltminister Borloo erwartet bis zum Oktober einen Bericht darüber. Zudem wurde der Leiter der Pannen-Anlage entlassen. Erster Auftrag des neuen Chefs sei die globale Überprüfung der Funktionsweise des Betriebs und der Sicherheit, teilte Areva mit. Der staatliche Areva-Konzern betreibt in Frankreich 59 Reaktoren, in denen fast 80 Prozent des Stromes erzeugt werden. Eine größere Abhängigkeit von Atomstrom hat kein anderes Land. Die Pannen kratzen am Ansehen des Konzerns, der auch zahlreiche Reaktoren im Ausland baut. Atomkraftwerke aber sind im Unterschied zu Windrädern in der Gesellschaft weitgehend akzeptiert. (AP/dpa)
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