Lawinen – es wird noch gefährlicher

Die Lawinengefahr in den bayerischen Alpen hat sich nach den ergiebigen Schneefällen der vergangenen Tage nochmals erhöht. Grund: die nun zunehmende Sonneneinstrahlung.
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MÜNCHEN - Die Lawinengefahr in den bayerischen Alpen hat sich nach den ergiebigen Schneefällen der vergangenen Tage nochmals erhöht. Grund: die nun zunehmende Sonneneinstrahlung.

Für alle Höhenlagen gilt jetzt die zweithöchste Warnstufe 4, so der Lawinenwarndienst. Wegen der Erwärmung kann im Tagesverlauf sogar erstmals in diesem Winter die höchste Warnstufe 5 (sehr hoch) erreicht werden. Es droht die Selbstauslösungen großer Lawinen, die auch in flaches Gelände vordringen können.

Eine solche verschüttete am Mittwochvormittag eine Berghütte am 1813 Meter hohen Geigelstein in den Chiemgauer Alpen. Nach Polizeiangaben blieb die 84-jährige Sennerin unverletzt.

Die Ärzte kämpften vergeblich um sein Leben

Sechs Tage nach einem Lawinenunglück im Wendelsteingebiet bei Brannenburg starb unterdessen ein Skifahrer im Krankenhaus Rosenheim. Der 47 Jahre alte Samerberger erlag am Mittwoch seinen schweren Verletzungen. Er war am vergangenen Donnerstag bei der Abfahrt vom 1720 Meter hohen Wildalpjoch verschüttet worden. Seine Begleiter konnten ihn über seinen Lawinenpiepser zwei Meter unter dem Schnee orten und mit Rettungskräften nach etwa einer Stunde ausgraben. Er musste 20 Minuten reanimiert werden und wurde im Klinikum Rosenheim in ein künstliches Koma versetzt. Die Ärzte kämpften jedoch vergeblich um sein Leben.

Seitdem hatte sich die Lawinenlage nur zwischenzeitlich etwas entspannt, inzwischen herrscht bei riesigen Mengen Neuschnee wieder große Gefahr. „Die massive Schneemenge ist extrem störanfällig. Die Gefahrenstellen liegen derzeit in allen Himmelsrichtungen – das ist enorm selten“, sagte Andrea Händel vom Deutschen Alpenverein in München.

Bis zum Wochenende wird sich die Lawinensituation kaum entspannen. Bereits am Donnerstag sind in den Alpen neue Schneefälle zu erwarten. Von Touren abseits der Skipisten werde deshalb dringend abgeraten. Trotzdem starteten bei strahlendem Sonnenschein auch am Mittwoch Tourengeher in die Berge. Die meisten wichen allerdings auf Gebiete aus, die als sicher gelten. I

n einigen Alpentälern blieben aufgrund der hohen Lawinengefahr auch am Mittwoch noch Straßen gesperrt. Die Bergstraße zum Spitzingsee in der Gemeinde Schliersee (Landkreis Miesbach) ist seit Mittwochvormittag wieder befahrbar. Nach einem Lawinenabgang war sie am Vortag verschüttet worden. Fahrzeuge wurden jedoch nicht unter den Schneemassen begraben. Allerdings waren die Bewohner und Urlauber des Ortsteiles Spitzingsee einen ganzen Tag lang von der Außenwelt abgeschnitten.

Eingeschränkter Skibetrieb in einigen Regionen

In einigen bayerischen Skigebieten waren wegen der hohen Lawinengefahr auch am Mittwoch noch Sprengungen notwendig. Auf der Zugspitze (2962 Meter) war deshalb erst ab Mittag eingeschränkter Skibetrieb möglich. „Der Skibetrieb ist nur möglich, weil die Schneefeldsprengungen am Vormittag alle erfolgreich waren und sie aufgrund der guten Sichtverhältnisse heute entsprechend bewertet werden konnten“, sagte Eva-Maria Greimel, Sprecherin der Bayerischen Zugspitzbahn. Auf Deutschlands höchstem Berg liegen derzeit knapp vier Meter Schnee.

Die aktuelle Lawinen-Lage:

Klicken Sie auf die Grafik, um zur Internetseite des Lawinenwarndienstes Bayern zu gelangen:

Zum Lawinenlagebericht Bayern ALL: Allgäuer Alpen AMM: Ammergauer Alpen WFK: Werdenfelser Alpen BVA: Bayerische Voralpen CHG: Chiemgauer Alpen BGD: Berchtesgadener Alpen Zum Lawinenlagebericht Bayern

Die Fließlawine

Sie ist die berechenbarste Lawine, weil sie in der Regel bei Tauwetter im Frühling zu Tal geht, wenn der Schnee besonders matschig ist. Der Schnee wird aufgrund der milderen Temperaturen weich und fließt förmlich den Berg hinunter. Dabei vereinen sich die vielen kleineren Lawinenstriche zu einer einzigen großen Masse. Der Anpressdruck, den diese Masse aufbaut, ist gewaltig. Er liegt bei 60 Tonnen pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Um ein Haus umzulegen, reichen vier Tonnen. Die Folge: Die Tausende von Tonnen schwere Lawine walzt alles nieder, was ihr im Weg steht. Da bei dieser Lawinenart allerdings kein Luftpolster aufgebaut wird, sind die Geschwindigkeiten sowie die Auslaufstrecke wesentlich geringer als bei anderen Lawinen-Typen.

Das Schneebrett

Das Schneebrett ist die häufigste und für Skifahrer gefährlichste Lawinenart. Bei dieser Lawinenart bricht der Schnee zumeist scharfkantig oberhalb des Skifahrers ab. „Er befindet sich dadurch mitten in der Lawine und wird wie auf einer Eisscholle in die Tiefe gerissen“, erklärt Lawinen-Experte Georg Kronthaler. Mit 80 bis 100 km/h saust der Schnee in die Tiefe, verdichtet sich und wird nach dem Stillstand hart wie Beton. Wer unter dem Schnee liegen bleibt, kann sich deshalb nicht mehr bewegen und schon gar nicht von allein befreien. Die meisten Lawinen, die zuletzt in Bayern heruntergegangen sind, waren Schneebrettlawinen.

Die Staublawine

Durch Luftverwirbelung kann es zu einer Luftkissenbildung kommen, auf welcher die Lawine mit bis zu 300 km/h ins Tal saust. Die enorme Druckwelle, die dabei entsteht, kann ganze Wälder umlegen. Bei Menschen, die in die Lawine geraten, kann die Lunge platzen. Die Lawine, die vergangene Woche am Laber herunterging, war in Ansätzen eine Staublawine.

Die Lockerschneelawine

Sie entsteht durch einen punktförmigen Anriss, wenn die Schneekristalle nach frischem Schneefall noch nicht miteinander verbunden sind. Ein wenig Schnee rieselt den Hang hinab und reißt andere Schneekörner mit, so dass die Lawine schnell an Masse zunimmt und mit voller Wucht ins Tal rauscht. Im letzten Winter konnte man unter anderem am Dammkar bei Mittenwald diesen Lawinentyp beobachten. Er tritt vor allem nach Schneefall und ruhigen Windverhältnissen auf und hinterlässt eine fächer- oder birnenförmige Spur.

Daniel Aschoff

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