Lawinen-Drama: "Wie in einer Trommel"

Bei dem Lawinen-Drama am Mont Blanc starben am Donnerstag neun Menschen. Jetzt steht die Identität der drei deutschen Opfer fest: Sie sind aus Hamburg, Sachsen und Baden-Württemberg.
Chamonix - Col de Maudit, der verfluchte Berg – so heißt die Bergspitze, an der neun Alpinisten unter einer Mega-Lawine begraben wurden – darunter drei Deutsche. Ihre Identität gab jetzt das deutsche Generalkonsulat in Lyon preis: Sie kommen aus Hamburg, dem sächsischen Aue und Neulußheim in Baden-Württemberg. Ihre Leichen wurden für ihre Angehörigen im Krankenhaus in Chamonix aufgebahrt. Unterdessen läuft die Suche nach den Ursachen der Lawinen-Tragödie auf Hochtouren.
Sie waren erst 34, 39 und 40 Jahre alt. Die zwei Männer und die Frau aus Deutschland wollten am frühen Donnerstagmorgen den „verfluchten Berg“ erklimmen. In der Nacht gegen 1.30 Uhr schnürten sie ihre Bergstiefel. Übernachtet hatten sie in der Hütte „Refuge des Cosmiques“, Zuflucht der Kosmischen, einer Schutzhütte im Mont-Blanc-Massiv. Im ersten Morgengrauen brachen sie zusammen mit 25 anderen Bergsteigern auf, wählten einen der beliebtesten Gipfel-Wege – die „Drei-Wege-Route“. Eine verhängnisvolle Wahl.
Um kurz nach 5 Uhr wurde es dann plötzlich finster. „Ohne Geräusch, nur mit einem Hauch brach die Lawine über die Gruppe“, sagt einer der geretteten Gebirgsführer, Daniel Rosetto. „Es war, als würde ich in einer Waschtrommel stecken“, beschreibt der 63-Jährige den Moment, als der Schneerutsch ihn erfasste. „Er hat uns den Hang hinab gedrückt – 250 Meter weit.“ Rosetto überlebte, wurde nur leicht verletzt – wie 14 weitere Alpinisten auch. Sie sollen aus den gleichen Ländern wie die Todesopfer stammen. Neben den drei Deutschen kamen auch drei Briten, zwei Spanier und ein Schweizer ums Leben.
„Ein Desaster“, sagt ein Argentinier, der in den frühen Morgenstunden vor den Rettern an Ort und Stelle war. „Die Helikopter rückten sehr schnell an, aber das reichte nicht aus. Es wehte sehr stark und war sehr kalt.“ Die heftigen Windverhältnisse könnten der Auslöser für die Lawine gewesen sein. Ein 40 Zentimeter dicker Eisblock hatte sich gelöst und war den Hang hinabgerutscht. Dadurch entstand ein zwei Meter dickes und 50 Meter langes Schneebrett, wie die Präfektur des Departements Haute-Savoie in Annecy mitteilte. Doch auch ein Alpinist hätte den Eisblock lostreten können.
Rund 20000 Bergsteiger versuchen sich jährlich am Mont Blanc. In der Hochsaison sind im Massiv täglich bis zu 500 Bergsteiger unterwegs – alpiner Massentourismus. Den kritisiert der Abenteurer und Polarforscher Arved Fuchs schon seit Jahren. „Die Natur wird degradiert zu einer Art Freizeitpark“, sagt Fuchs. Auch wenn die Motivation bei dem Unglück am Mont Blanc eine andere gewesen sein könne, viele Abenteuerlustige wollten sich mit solchen Touren schmücken. Fuchs: „Sie buchen die Expeditionen einfach im Reisebüro – ohne die dazu notwendigen Fähigkeiten zu haben.“ Die Risiken würden zudem oft klein geredet. Das zeige auch das aktuelle Unglück. Fuchs: „Selbst Profi-Bergsteiger sind bei derartigen Extremtouren und Wetterverhältnissen nicht vor einem Restrisiko gefeit.“