Lächelnd in den Märtyrer-Tod
Ein Video zeigt die letzten Minuten im Leben des »bayerischen Taliban«. Nach der Umarmung einer Frau sieht man ihn beten. Dann steigt er in einen Lkw und sprengt zwei amerikanische Soldaten, zwei Afghanen sowie sich selbst in die Luft.
MÜNCHEN/HAMBURG Cüneyt C. lächelt, umarmt eine verschleierte Frau, kniet nieder und betet. Dann steigt der gebürtige Freisinger, der bis 2007 in Ansbach lebte, in einen Lkw. Wenig später erbebt die Erde, aus dem US-Stützpunkt im afghanischen Khost schießt ein Feuerball, ein Rauchpilz steigt auf. Es sind die letzten Minuten im Leben des „bayerischen Taliban“, festgehalten auf einem Video, das jetzt „Spiegel online“ zugespielt wurde.
Bei dem Anschlag am 3.März waren zwei Amerikaner und zwei Afghanen getötet worden. Auf dem Gewissen habe sie „ein tapferer Türke aus Deutschland“, prahlte die „Pressestelle des Islamischen Dschihad“. Doch Beweise dafür, dass Cüneyt C. den Sprengstofflaster fuhr und so zum ersten in Deutschland geborenen Selbstmord-Attentäter wurde, gab es nicht – bis jetzt. „Dieses Band bestätigt, was die Sicherheitsbehörden befürchtet hatten“, sagt Rolf Tophoven, Leiter des Instituts für Terrorismusforschung. Das Bundeskriminalamt geht nun davon aus, dass der Islamist aus Bayern „sehr wahrscheinlich“ für den Anschlag verantwortlich war.
Grausiger Videobeweis
Das Video erhielt „Spiegel online“ nach eigenen Angaben von der Propaganda-Abteilung der Taliban. Es zeigt Cüneyt C. (28) in einem traditionellen weißen Gewand. Man sieht, wie er einen Toyota mit Chemikalien-Säcken belädt und das Führerhaus verkabelt, den Lageplan der US-Einrichtung studiert und mit dem Finger seinen Weg durch das Gelände nachzeichnet.
Was Cüneyt C. sagt, ist nicht zu verstehen. Koransuren übertönen seine Stimme: „Wie glücklich du bist, dass dir der Tod den Sonnenaufgang bringt“, singt ein Mann, „dass du an die Front gehst, dass du brennst im Namen des Islam“. Cüneyt C. deutet lächelnd mit dem Zeigefinger gen Himmel und lässt sich zum Gebet nieder. Dann macht er sich auf den Weg, angeblich mit 4,5 Tonnen Sprengstoff auf der Ladefläche.
„Der Abschied von Freunden und Familie, das Lächeln, das Beten – das sind Szenarien, wie man sie aus den Videos palästinensischer Selbstmordattentäter kennt“, sagt Tophoven. Videos, die Terroristen als Märtyrer stilisieren. „Dramatisch daran ist, dass die Aufnahmen möglicherweise Nachahmer auf den Plan rufen, nicht nur in Afghanistan, sondern auch in Europa oder gar in Deutschland.“ Es werde nicht ausgeschlossen, dass sich im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet noch weitere Deutsche für den Dschihad ausbilden lassen – „um dort oder hier aktiv zu werden“.
N. Kettinger
- Themen:
- Bundeskriminalamt
- Toyota