L’Aquila, ein Jahr danach: Trauer – aber auch Wut

Mehr als 50 000 Menschen sind bisher nicht nach Hause gekehrt: Auf den Tag genau ein Jahr nach dem verherrenden Erdbeben gedenken die Bürger der Opfer – und schimpfen auf Rom und Berlusconi.
von  Abendzeitung
Die Menschen gedenken der 308 Toten
Die Menschen gedenken der 308 Toten © dpa

L'AQUILA - Mehr als 50 000 Menschen sind bisher nicht nach Hause gekehrt: Auf den Tag genau ein Jahr nach dem verherrenden Erdbeben gedenken die Bürger der Opfer – und schimpfen auf Rom und Berlusconi.

Es waren ergreifende Momente: Auf die Minute genau ein Jahr, nachdem schwere Erdstöße das Städtchen L’Aquila in Mittelitalien erschüttert hatten, gedachten in der Nacht zum Dienstag tausende von Menschen der 308 Toten, die das Beben gefordert hatte. Es gab in dieser Nacht aber nicht nur Tränen der Trauer – sondern auch heftige Kritik, vor allem an Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

Um Punkt 3.32 Uhr gab esam Dienstag in der immer noch stark beschädigten Stadt eine Schweigeminute, dann wurden die Namen der Toten vorgelesen. Mit Kerzen in den Händen oder Fotos der Opfer harrten viele Menschen stundenlang auf der historischen Piazza Duomo aus.

„Ich werde mich immer an diese dramatischen Tage erinnern, den Stolz der Aquilaner und die Großzügigkeit der Helfer“, sagte Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Der war nach der Katastrophe durch rasche Organisation zunächst als eine Art „Vater der Nation“ gefeiert worden. In wenigen Monaten hatte seine Regierung zahlreiche neue Häuser gebaut, um die Obdachlosen aus den Zelten zu holen. Heute sehen das viele kritisch.

    Die Gegend in und um die mittelalterliche Stadt wurde zerstört und verwüstet. In Onna östlich von L'Aquila wurden in der Nacht zum 6. April 90 Prozent der Gebäude dem Erdboden gleichgemacht, 41 der 280 Einwohner starben.

In der gesamten Region sind nach offiziellen Angaben bis heute mehr als 50 000 Menschen noch nicht nach Hause zurückgekehrt. Zehntausende sind weiter in Notunterkünften, Pensionen und Militärkasernen untergebracht.

 Seit Wochen demonstrieren die Aquilaner jedes Wochenende für den Wiederaufbau ihrer Stadt. Noch heute, ein Jahr nach dem Beben, gleicht die Regionalhauptstadt einer Geisterstadt.

„Carriole“, Schubkarren, nennen sich die Demonstranten, die sich jedes Wochenende aufs Neue Zugang zur Altstadt verschaffen, um mit bloßen Händen die Trümmer beiseite zu schaffen.

Bei 4,5 Millionen Kubikmetern Geröll dürfte die Aufräumarbeit lange dauern – und die Proteste eher noch zunehmen.

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