Kritik an Papst-Boykott
Bundespräsident Christian Wulff hofft vor dem Papstbesuch in Deutschland, dass die Kirche ihr Verhältnis zu geschiedenen und wiederverheirateten Katholiken ändert.
Berlin - "Die Millionen Menschen, die in konfessionsverschiedenen Ehen leben, und die Millionen wiederverheirateten Katholiken, aber auch viele andere Gruppen erwarten ... befreiende Botschaften", sagte Wulff.
Die Wochenzeitung "Die Zeit" druckt das Gespräch Wulffs mit der Katholischen Nachrichtenagentur KNA in ihrer neuesten Ausgabe in der Beilage "Christ & Welt" vollständig ab.
Die katholische Kirche verweigert bisher wiederverheirateten Geschiedenen die Teilnahme an der Kommunion. Der geschiedene und wiederverheiratete Katholik Wulff ist als Bundespräsident Gastgeber von Papst Benedikt XVI., dessen Staatsbesuch in Deutschland an diesem Donnerstag beginnt.
Deutschlands oberster Katholik Robert Zollitsch erwartet vom Papst positive Signale für die weitere Annäherung von katholischer und evangelischer Kirche. Benedikt XVI. interessiere sich sehr für das Treffen mit evangelischen Vertretern in Erfurt, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz im Deutschlandradio Kultur. Schon der Treffpunkt im Evangelischen Augustinerkloster zu Erfurt, in dem Martin Luther gelebt habe, sei ein Zeichen nach außen.
Auch Wulff hofft, dass der Papst die Ökumene und den Dialog der Religionen unterstützt: "Ich würde mich freuen, wenn bei den Gesprächen mit den Muslimen und Juden etwas Verbindendes zur Allianz der Religionen gesagt würde."
Kritik am Auftritt des Pontifex vor dem Bundestag wies Wulff zurück. Es sei "grundsätzlich gut", wenn der Bundestag Staatsoberhäupter zu Wort kommen lässt. "Ein solcher Auftritt im Parlament ist deshalb auch in deutliches Signal."
Der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen kritisierte die Bundestagsabgeordneten, die bei der Rede des Papstes vor dem Parlament ihre Sitze freilassen wollen. Benedikt XVI. habe allemal Gehaltvolleres zu sagen als so mancher Parlamentarier, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Da lohne sich das Zuhören unabhängig von der eigenen Meinung: "Ich muss mir ja auch vieles anhören, von dem ich denke: Mein Gott! Aber dennoch akzeptiere ich es."
Dagegen verteidigte Linken-Fraktionschef Gregor Gysi die Entscheidung einzelner Abgeordneter. "Bei manchen spricht auch die Seele dagegen, das respektiere ich immer." Er selbst will sich Benedikts Rede im Bundestag anhören: Er sei immer dafür, jemandem zuzuhören, sagte Gysi dem Bayerischen Rundfunk. Deswegen habe er zugestimmt, als der Bundestagspräsident wegen der Papst-Einladung angefragt habe. Nun müsse aber auch regelmäßig ein Kirchenoberhaupt eingeladen werden. Man könne nicht allein bei der Katholischen Kirche stehenbleiben.
Obwohl selbst nicht gläubig, würde Gysi gerne länger mit dem Papst über die Normen der Katholischen Kirche und andere Fragen sprechen: "Wenn er mal 20 Minuten hätte - ich meine, ich mach's auch länger."