Krankenhaus-Keime: So gefährlich sind sie

München, Kiel - Antibiotika sind gegen sie machtlos: Oft werden Krankenhauskeime deswegen auch „Superkeime“ oder „Killer-Erreger“ genannt. Ihre Gefährlichkeit zeigt sich gerade in Kiel: Elf infizierte Menschen sind gestorben, weitere 14 Patienten isoliert. Jetzt hat das Krankenhaus Hilfe von Experten aus Frankfurt angefordert.
Was Sie über Krankenhaus-Keime wissen müssen:
Superkeime oder auch Killer-Erreger: Was genau ist ein Krankenhauskeim?
So werden umgangssprachlich Erreger genannt, die der Patient entweder bereits in sich trägt – etwa auf der Haut, den Schleimhäuten oder im Darm, oder mit denen er sich im Krankenhaus ansteckt, erklärt der Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, Peter Walger aus Bonn, der AZ. Ein kleiner Teil von diesen Erregern sind resistent gegen Antibiotika. Sie werden übergeordnet multiresistente Bakterien (MRE) genannt. Ein häufiger Keim ist MRSA.
Keim wie ein Hammer: Er kann harmlos, aber auch tödlich sein
Wie gefährlich sind solche Keime?
„Per se sind diese Erreger keine Killer-Keime“, sagt Peter Walger. Vielmehr sei die Situation das Problem. Der Experte vergleicht die Krankenhaus-Keime mit einem Hammer. Der könne harmlos im Werkzeug-Kasten liegen, aber genauso zu einer Mordwaffe werden. Meist beginnt es laut dem Hygiene-Experten mit einer sogenannten „Besiedlung“. Das bedeutet, der Patient hat zwar den Keim an oder in sich, aber er macht ihn noch nicht zwingend krank.
Gefährlich wird es, wenn es zu einer Infektion kommt. Das geschieht, wenn der Keim ins Körperinnere gelangt. Typisch sind dann eitrige Entzündungen der Haut, Entzündungen der Herzinnenhaut oder der Knochen.
Wie viele solche Fälle gibt es in Deutschland?
Diese Art von Infektionen hat massiv zugenommen. Der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene zufolge gibt es jährlich etwa 19 Millionen stationäre Patienten. Davon stecken sich etwa eine Million mit Keimen an. Bei etwa zwei Prozent verlaufe die Infektion tödlich, sagt Peter Walger. Das Gesundheitsministerium hat diese Zahlen dementiert und sagt, es seien „nur“ 10.000 bis 15.000 Tote pro Jahr in Deutschland.
Die Behörde rechnet nur solche Fälle ein, bei denen der Keim die Todesursache ist. Allerdings ist es schwer zu bestimmen, ob die Patienten an dem Erreger oder an der vorherigen Krankheit gestorben sind.

Warum breiten sich diese Keime immer weiter aus?
Einerseits „erzeugen wir die Keime selbst“, sagt Walger und zwar durch den Einsatz von Antibiotika. Andererseits begründet er die Zunahme auch durch die steigende „globale Reisetätigkeit“. So würden bei Menschen aus Asien oder Indien, also aus Ländern mit schlechterer medizinischer Versorgung, solche Keime häufiger nachgewiesen. Aber auch bei Soldaten, die aus dem Irak oder aus Afghanistan zurückkehrten, und bei Tsunami-Opfern, seien die Erreger gefunden worden.
Die Klinik in Kiel hat nun Fachkräfte aus Frankfurt angefordert. Was ist an der Behandlung so schwierig?
Das Problem ist, dass der Keim erst einmal erkannt werden muss. Der Erreger in Kiel sei sehr selten, so Walger, und trete in Deutschland normalerweise nicht auf. Gegen diese resistente Art gibt es zwar spezielle Antibiotika, die helfen. Aber erst, wenn der Erreger durch Abstriche der Haut, des Nasen-Rachen-Bereichs oder auch durch Stuhlproben erkannt ist, kann er speziell behandelt werden.
Welche Menschen sind von den Keimen besonders gefährdet?
Hohes Risiko besteht bei schwerkranken Patienten, etwa auf der Intensivstation oder auch bei solchen, die an viele Schläuche angeschlossen sind, so der Arzt. Gefährdet sind aber auch die ganz kleinen und ältere Patienten.
Welche Symptome zeigt ein Infizierter?
Eindeutige Symptome gibt es nicht. Es kann eine Lungenentzündung sein, genauso eine Blutvergiftung oder ein Harnwegsinfekt.
In Bayern: Rund um München nehmen die Infektionen ab
Die tödlichen Fälle in Kiel beunruhigen zur Zeit ganz Deutschland. Wie sieht es mit Infektionen in Bayern aus?
In einer „Keimkarte“ des Statistisches Bundesamtes mit Daten aus dem Jahr 2013 fällt eines auf: Im Nordosten des Freistaats gibt es deutlich mehr Fälle als im Südwesten. Auch München hat seit 2010 den Krankenhauskeimen ordentlich den Kampf angesagt: 2013 gab es dort drei Fälle von multiresistenten Erregern pro 1.000 Klinikpatienten. Das sind 24 Prozent weniger als im Jahr 2010.
In Zahlen: In der Landeshauptstadt gab es bei 289.802 Patienten 916 MRE-Fälle. Auch in den Landkreisen Weilheim-Schongau, Starnberg oder Landsberg am Lech gab es ein Minus bei den Infektionen. In anderen Regionen Bayerns sieht das allerdings anders aus. Im Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge hat die Quote im selben Zeitraum um 153 Prozent (20 MRE-Fälle pro 1.000 Patienten) zugenommen. So stark wie nirgendwo sonst in Bayern. Aber auch in den Kreisen Würzburg (+113 Prozent) oder Neustadt/Waldnaab (+128 Prozent) sind zwischen den Jahren 2010 und 2013 viel mehr Infektionen aufgetreten.
Was machen Krankenhäuser zur Prävention?
In jedem Land gibt es eine Verordnung zur Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen (MedHygV). Diese basiert auf dem Infektionsschutzgesetz, das 2011 geändert wurde. Darin ist etwa festgelegt worden, dass es bis 2016 in jedem Krankenhaus mit mehr als 400 Betten einen Hygiene-Facharzt geben muss. Zudem muss es in jeder Einrichtung eine Hygiene-Kommission geben und es müssen Krankenhaushygieniker beschäftigt werden. Hygiene im Krankenhaus ist dabei das A und O.
Wann sollten Patienten hellhörig werden?
Ganz wichtig sind saubere Hände. Wenn zum Beispiel der Verband einer Wunde gewechselt werden soll und sich das Personal davor und danach nicht die Hände desinfiziert, sollte laut Walger durchaus kritisch nachgefragt werden. Andere Portale und Medien im Internet raten zudem dazu, aufzupassen, wenn die Krankenschwester etwa schon mit angezogenen Handschuhen ins Zimmer kommt. Oder wenn der Nachttisch offensichtlich nach dem letzten Patienten nicht gereinigt wurde. Peter Walger gibt aber auch Entwarnung: Nur, weil man von einem anderen Patienten angehustet wird, bedeute das nicht automatisch, dass man infiziert ist.
Wie viel Angst haben die Deutschen vor Krankenhauskeimen?
Ziemlich große Angst. Eine Umfrage der „Apotheken-Umschau“ hat ergeben, dass sich sogar 56,1 Prozent vor einer solchen Infektion fürchten. Auch wenn sie nur zu Besuch sind, passen 82,5 Prozent schon besonders auf: Sie sind der Meinung, man müsse sich immer die Hände desinfizieren, bevor man Kontakt zu einem Patienten hat.