Krank durch die Arbeit
Die Zahl der Deutschen, die ihren Job wegen psychischer Störungen aufgeben müssen, steigt. Besonders betroffen sind Lehrer, Lokführer und Beschäftigte im Gesundheitswesen.
Wir verbringen den Großteil des Tages dort, die meisten Menschen sehen ihre Kollegen länger als ihre Lebenspartner. Viele holen sich auch ihre Krankheiten im Job – und die sind immer häufiger psychisch. Der Verband deutscher Psychologinnen und Deutscher Psychologen schlägt jetzt Alarm. „Deutschland erreicht die von der Weltgesundheitsorganisation gesteckten Ziele zur Gesundheitsgefährdung am Arbeitsplatz nicht“, sagt Verbands-Sprecherin Claudia Schaffmann. Das geht aus dem Bericht „Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz“ hervor, den der Verband am Dienstag in Berlin vorstellt.
Während die Zahl der Arbeitsunfälle zurückgeht, nimmt die Zahl der Psychosen und Verhaltenstörungen drastisch zu. Ihr Anteil an den Ausfalltagen ist von 6,6 Prozent auf 10,5 Prozent gestiegen. „Das ist ein Anstieg von 59 Prozent“, sagt Claudia Schaffmann.
Psychisch bedingte Fehltage
Insgesamt lassen sich die Erwerbstätigen weniger krankschreiben. In fünf Jahren sanken die Fehltage um rund 17 Prozent – aus Angst um den Job bleibt man lieber nicht daheim. Die Fehltage wegen psychischer Störungen haben jedoch in der gleichen Zeit um knapp 30 Prozent zugenommen. „Dieser Anstieg ist zu hoch, um sich aus der größeren Bereitschaft und Fähigkeit, eine psychische Störung zu diagnostizieren, zu erklären“, heißt es in der Erklärung des Psychologenverbandes.
Ursachen liegen dem Bericht zufolge in Zeitdruck, Komplexität der Arbeit, in der Verantwortung der Beschäftigten, in fehlenden Partizipationsmöglichkeiten, prekären Verhältnissen wie Leiharbeit oder Zeitarbeit. Auch mangelnde Wertschätzung, defizitäres Führungsverhalten und das Ungleichgewicht zwischen beruflicher Verausgabung und erhaltener Entlohnung werden genannt. „Wir haben in Deutschland nicht nur ein Problem mit Managergehältern, wir haben ein weit verbreiteten Mangel an Managerqualitäten“, sagt Verbands-Vizepräsident Thordis Bethlehem. Was noch in dem Bericht steht: Psychische Störungen sind der häufigste Grund für Berufsunfähigkeit. Zwischen 1997 und 2004 hat die Zahl der Berufsunfähigkeitsfälle wegen psychischer Störungen um satte 70 Prozent zugelegt
Besonders betroffen: Das Gesundheitswesen
Die Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, sind selbst die Kränkesten: Die Selbstmordrate bei Medizinern ist im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung dreimal so hoch. Auch Burnout und Depression ist bei Ärzten und in Pflegeberufen deutlich höher.
Lehrer und Lokführer sind besonders hohen psychischen Belastungen ausgesetzt.
Die Angst vor dem Jobverlust
Ein Viertel der Beschäftigen hat Angst vor Arbeitslosigkeit. Psychisch sind sie sogar stärker belastet, als Arbeitslose.
Frauen leisten die meiste Arbeit in der Familie und der Pflege von Angehörigen. Da viele einem Job nachgehen, ist die psychische Belastung bei Frauen besonders hoch.
Tina Angerer