Krank durch das Internet
Die „Cyberchondria“-Studie von Microsoft zeigt: Wer Gesundheitsfragen im Netz recherchiert, schürt seine Ängste. Die Nutzer würden die schlimmsten Diagnosen oftmals auf sich selbst projizieren.
Es gibt eine neue Krankheit: Cyberchondria. Und wenn Sie gerade dabei sind, die Buchstaben C-Y-B-E -R-C-H-O-N-D-R-I-A in ihre Online-Suchmaschine eingeben – dann haben Sie sich wahrscheinlich bereits infiziert.
Eine Studie von Microsoft fand jetzt heraus: Menschen, die im Netz nach Informationen zur Selbstdiagnose suchen, geraten in Gefahr, ihren Gesundheitszustand wesentlich schlimmer zu beurteilen, als er in Wirklichkeit ist. Der Name „Cyberchondria“ ist an die Hypochondrie angelehnt – die eingebildete Krankheit, für die sich keinerlei medizinische Befunde finden lassen.
Die Microsoft-Forscher untersuchten in einer Langzeitstudie die gesundheitsbezogenen Suchanfragen von 515 Menschen. „Die Ergebnisse zeigen, dass Internet-Suchmaschinen medizinische Bedenken ausufern lassen können“, stellten die Forscher fest. Die Nutzer würden die schlimmsten Diagnosen oftmals auf sich selbst projizieren. Das Ausmaß der eingebildeten Krankheit stehe dabei im Verhältnis zur Menge der medizinischen Inhalte, die Nutzer im Internet recherchieren. „Die Menschen tendieren dazu, sich nur die ersten paar Suchergebnisse anzuschauen“, sagt Microsoft-Forscher Eric Horvitz.
Manche Seiten lassen das Schlimmste vermuten
Wer zum Beispiel den Begriff „Kopfschmerzen“ in die Suchmaschine eingibt, könne neben einer Seite über Koffeinentzug genauso gut auf auf einer Seite über Hirntumor landen. Kopfweh ist ganz gewöhnlich – doch die Diagnose „Hirntumor“ betrifft in den Vereinigten Staaten nur einen von 10000 Menschen. So entsteht ein schiefes Bild. Zahlreiche Seiten ließen sich verschieden interpretieren – und das Schlimmste vermuten.
„Viele Menschen betrachten Suchmaschinen wie einen menschlichen Experten, der ihnen Fragen beantwortet“, sagt Horvitz. Rund zwei Prozent aller Anfragen, die Menschen in Internet-Suchmaschinen eingeben, haben im Weitesten mit Gesundheitsthemen zu tun.
Besonders betroffen: Menschen mit geringem medizinischem Wissen
Das Internet ist laut den Forschern eine ertragreiche Quelle für medizinische Informationen. Es biete Menschen, die sich in medizinischen Fragen schlechter auskennen, die Möglichkeit, ein besseres Verständnis für die eigene Gesundheit und für Krankheiten zu bekommen. Gleichzeitig müssten die Nutzer aufpassen: Das Internet habe das Potenzial, Ängste drastisch zu verstärken. Besonders betroffen seien Menschen mit einem sehr geringen medizinischen Wissen.
Laut den Experten sollten Internet-Suchmaschinen in Zukunft in der Lage sein, Anfragen zu medizinischen Themen gezielt zu erkennen und dazu passende Ergebnisse zu liefern. So würden die Surfer nicht zuallererst mit erschreckenden Diagnosen geschockt werden.
Christoph Landsgesell
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