Komplizierte Beziehung
Der Rubygate-Prozess gegen Silvio Berlusconi läuft heute an. Berlusconi im Dauerkonflikt mit der Justiz und wie die Italiener die Sache sehen.
Mailand - Wenn nicht jetzt, wann dann? Der heute in Mailand anlaufende Rubygate-Prozess scheint nahezu die letzte Hoffnung, den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi in die Knie zu zwingen. Seit Jahren befindet sich der Premier im Streit mit der Justiz und immer ist er ihr entkommen: Entweder ist Berlusconi aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden oder die Verjährungsfrist der Anschuldigungen war abgelaufen. Diesmal soll es ihm an den Kragen gehen - oder wird sich der Regierungschef erneut geschickt aus der Affäre winden?
Bestechung, Bilanzfälschung, Mafiakontakte, Sexaffären mit Minderjährigen und zuletzt Amtsmissbrauch - die Liste der Justizvergehen Berlusconis ist lang. Umso unverständlicher ist es aus deutscher Sicht, dass ein Mann wie er immer noch an der Spitze der italienischen Regierung steht. Warum wählen die Italiener Berlusconi überhaupt?
Dass führende Geschäftsleute in Italien Berlusconi wählen ist klar: Der Premier ist selber ein erfolgreicher Unternehmer und damit einer von ihnen. Zudem gäbe es nur eine politische Option zu Berlusconi: eine linke Regierung, die aber weder die Interessen der Unternehmer vertritt, noch eine Lösung für das Problem der Energieversorgung und die Flüchtlingsproblematik parat hat.
Doch Berlusconi findet auch bei der breiten Bevölkerung große Zustimmung. Unter anderem auch deshalb, weil er nahezu das italienische Ideal verkörpert: Berlusconi ist erfolgreich, hat Macht und Einluss und ist ständig von hübschen Frauen umgeben. „Der Italiener erkennt sich in ihm wieder, will ihm ähneln, werden wie er”, so schrieb der italienische Schriftsteller Roberto Saviano.
Und die zahlreichen Prozesse gegen den Premier, dessen peinliche Ausrutscher bei öffentlichen Auftritten und unapettitlichen Eskapaden? Die bestätigen das Heroen-Bild nur noch. Wenn jemand so oft angeklagt und dennoch nie verurteilt wird, so ist dies doch ein Zeichen für Klugheit und Macht – zumindest denkt dies ein Großteil der Italiener. „Ausrutscher werden in Italien als Beweis für die mentale Gesundheit eines Mannes, der zu leben weiß, interpretiert”, so Saviano. Denn im Unterschied zu vielen anderen Kulturkreisen „legen die Italiener bei Politikern nicht höhere ethische Maßstäbe an, als bei normalen Menschen”, erklärte der Journalisten Alessio Vinci in einer TV-Doku.
Summa summarum – die Beziehung zwischen Berlusconi und den Italienern ist kompliziert. Die einen lieben ihn wie er ist, die anderen wählen ihn aus Mangel an Alternativen und dritte halten ihn zwar schon lange für schuldig, wählen ihn aber trotzdem. Doch dass er auch diesmal ungeschoren davonkommen wird, darin ist man sich einig in Italien.
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