Koffein für Taliban: Energy-Drinks boomen

Krieg und Gewalt, Armut und Elend - das Leben in Afghanistan ist kein Zuckerschlecken. Da Alkohol zur Kompensatiion verboten ist, erleben Energy-Drinks einen Boom.
dpa |
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Krieg und Gewalt, Armut und Elend - das Leben in Afghanistan ist kein Zuckerschlecken. Alkohol ist in dem islamischen Land verboten und kann nicht zur Kompensation des alltäglichen Wahnsinns missbraucht werden. Energy-Drinks erleben dafür einen Boom.

Kabul - Waren Red Bull und Co. unter dem Ende 2001 gestürzten Taliban-Regime noch völlig unbekannt, buhlen heute mehr als zehn verschiedene Marken am Hindukusch um Käufer. Nicht nur Studenten und Sportler putschen sich mit den Koffeindrinks auf. Auch Taliban-Kämpfer greifen zu der Import-Ware aus dem verhassten Westen, seit Bedenken zerstreut wurden, die Getränke könnten "haram" und ihr Genuss damit Sünde sein.

Zwar sind genaue Absatzzahlen einzelner Marken nicht bekannt. Dass der Markt aber rasant gewachsen ist, ist unübersehbar. Neben dem Klassiker Red Bull stehen inzwischen Dosen mit Namen wie Monster, Gangsta, Shark, Carabao, Black Toro oder Big Bear in den Regalen auch kleiner Läden. Extra "für Ladys" gibt es Hot Star, nicht zu verwechseln mit Rockstar - dieser Energy-Drink scheint angesichts des Model-Kalenders auf der Homepage auf Machos zu zielen. Auch großer Durst müder Männer wird gestillt: Monster gibt es unter anderem in Dosen, die fast einen Dreiviertel Liter fassen.

"In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Zahl der Marken verdoppelt oder verdreifacht", sagt der Direktor des Afghanistan-Zentrums an der Universität Kabul, Abdul Wahid Wafa. Besonders günstigere Marken breiteten sich aus.

Der Manager des Jam-Supermarktes in der afghanischen Hauptstadt, Nasir Ahmad, sagt, er verkaufe etwa 30 Prozent mehr Energy-Drinks als im Vorjahr. Ausländer griffen vor allem zu der aus der Heimat bekannten Red-Bull-Dose, die allerdings auch am teuersten sei: Umgerechnet rund 1,20 Euro für 250 Milliliter. Einheimische bevorzugten etwa halb so teure Marken wie Carabao. Zum Vergleich: Ein im Kampfgebiet eingesetzter afghanischer Soldat bekommt im Monat 230 Euro Sold - Gefahrenzulage inklusive. Dem Geschäft tun die vergleichsweise hohen Preise dennoch keinen Abbruch.

"Die Nachfrage wächst täglich", sagt Ghulan Ghous Nikbeen, der an der Vermarktung von Big Bear (Großer Bär) in Afghanistan arbeitet. Allerdings sei für den Erfolg auch Überzeugungsarbeit nötig gewesen. Beim Markteintritt in der Taliban-Hochburg Kandahar sei Big Bear erst auf Ablehnung gestoßen. "Die Menschen dachten, das Getränk wäre unislamisch." Hintergrund ist ein in Südasien verbreiteter Aberglaube, wonach Bär "haram" ist - sein Verzehr also nach muslimischem Glauben ebenso verboten wäre wie der von Schwein oder Alkohol. "Die Menschen dachten, Big Bear wird aus Bär gemacht. Wir mussten ihnen erklären, dass das Getränk sie nur stark wie Bären macht." Heute sei Kandahar einer der größten Absatzmärkte im Land.

Religiöse Bedenken haben auch radikalislamische Aufständische nicht, folgt man den Worten eines Taliban-Anführers in der Provinz Kundus. Mullah Wali operiert im nordafghanischen Einsatzgebiet der Bundeswehr, zwischendurch gönnen er und seine Kämpfer sich Koffein-Kicks aus der Dose. "Wir trinken oft Energy-Drinks", sagt Wali. Sie seien alkoholfrei und damit "halal", also erlaubt. "Und ich glaube, unsere Feinde profitieren nicht davon, wenn wir sie trinken." Jeder Laden in der Gegend habe Energy-Drinks im Angebot. "Von den Mudschaheddin aus gibt es da keine Hindernisse."

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