Klinik untersucht Mitarbeiter auf Keime

Drei tote Frühchen und zahlreiche kranke Babys - mit Hochdruck suchen Experten nach dem Auslöser der Infektionswelle im Klinikum Bremen-Mitte.
von  dpa

Bremen - Am Freitag nahmen sie einen Analabstrich von allen Mitarbeitern, die Kontakt zu den Babys hatten. Das Ergebnis der mehreren hundert Proben werde in einigen Tagen vorliegen, sagte die Pressesprecherin des Klinikverbundes Gesundheit Nord, Andrea Theil.

Damit wollen die Verantwortlichen endgültig klären, ob das Klinikpersonal den Erreger auf die Babys übertragen hat. Die Staatsanwaltschaft ermittelt zurzeit wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung. Zunächst will die Behörde die Krankenakten der infizierten Neugeborenen von medizinischen Sachverständigen prüfen lassen. "Ob dann noch Zeugen gehört werden, wird man im weiteren Verlauf sehen", sagte Sprecher Frank Passade.

Was die Infektionswelle Ende Juli auf der Frühchenstation in Bremens größtem Krankenhaus ausgelöst hat, ist noch immer unklar. Drei Experten vom Robert-Koch-Institut durchforsten seit Donnerstag deshalb ebenfalls die Krankenakten. Ihr Bericht wird aber frühestens Mitte November vorliegen. Zunächst hatte die Klinik davon gesprochen, dass Stuhlproben von den Mitarbeitern genommen werden sollten.

Zehn Säuglinge, bei denen ein Speziallabor die selbe Mutation des multiresistenten Bakteriums nachgewiesen hat, sollen in den nächsten Tagen auf eine eigens dafür eingerichtete Abteilung verlegt werden. "Es erfordert einen erheblichen technischen Aufwand, die Frühchen sicher auf die andere Station zu bringen", erläuterte Theil. Seit Ende Juni hatten sich mehrere winzige Patienten mit einem Gewicht von nicht einmal 1000 Gramm angesteckt. Anfang August starb das erste Baby, im Oktober zwei weitere. Vier befinden sich inzwischen auf dem Weg der Besserung.

Die Klinikleitung schaltete am 7. September das Gesundheitsamt ein. Doch nach Angaben von Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) informierte das ihr untergeordnete Amt sie erst am 1. November - fünf Tage nach dem Tod des dritten Neugeborenen - über den Ausbruch der Infektionswelle. Sie kritisierte die Entscheidung und kündigte Konsequenzen an. Sobald die Krise bewältigt sei, werde die Behörde prüfen, ob die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes die Lage richtig eingeschätzt hätten und ob Vorschriften geändert werden müssten.

Der Bremer Fall hat auch das Bundesgesundheitsministerium auf den Plan gerufen. "Wir werden uns eng mit der Landesregierung und den Bremer Behörden abstimmen, um möglichst rasch Schlussfolgerungen aus dem aktuellen Vorfall zu ziehen", sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Ulrike Flach, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Ein Ministeriumssprecher ergänzte auf Anfrage: "Wenn man die Ergebnisse hat, wird man prüfen müssen, ob die gesetzlichen Regeln reichen."

Der Bund hat das Infektionsschutzgesetz gerade überarbeitet, unter anderem um die Hygiene in Krankenhäusern zu verbessern. Bis Ende März 2012 haben die Länder Zeit, die vom Bundesrat im Juli gebilligten Änderungen vollständig umzusetzen. Der Großteil der Maßnahmen werde in Bremen schon seit Jahren angewendet, sagte der zuständige Abteilungsleiter der Gesundheitsbehörde, Matthias Gruhl. "Wir haben alle Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes eingehalten."

Bis zu 600 000 Patienten infizieren sich nach Angaben von Experten jedes Jahr in Krankenhäusern mit Keimen. Nicht in jedem Fall lasse sich eine Infektion mit einem Verstoß gegen Hygieneregeln erklären, erläuterte der Mikrobiologe Eberhard Straube vom Universitätsklinikum Jena in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Es ist leider häufig so, dass man die Quelle der Erreger nicht findet."

Das Bakterium Klebsiella pneumoniae, das die Infektionen bei den Frühchen in Bremen verursacht hat, tragen viele Menschen im Darm. Deshalb schlägt Straube ein Screening in Krankenhäusern vor, bei dem Patienten und Klinikpersonal Stuhlproben abgeben. "Damit könnte man Keimträger rechtzeitig herausfiltern." Die Charité in Berlin macht nach Angaben ihrer Hygiene-Expertin Petra Gastmeier bei allen Hochschwangeren einen Abstrich, um die Keime feststellen und das Neugeborene nach der Geburt entsprechend behandeln zu können.

Auch das Klinikum Bremen-Mitte nimmt Abstriche bei Schwangeren, die mit einem Blasensprung eingeliefert werden - bei denen also die Gefahr einer Frühgeburt besteht. Ob die Mediziner das auch bei den Müttern der infizierten Säuglinge vorsorglich gemacht hätten, wollte Pressesprecherin Theil wegen des laufenden Verfahrens jedoch nicht sagen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.