Kleingarten-Nachbar legt Geständnis ab

Ein jahrelanger Nachbarschaftsstreit um überhängende Zweige und andere Nichtigkeiten war außer Kontrolle geraten. Der flüchtige Rentner hatte anschließend versucht, sich in einem Heuhaufen zu verstecken.
von  Abendzeitung
Tatort ist eine Kleingartenanlage in Gifhorn
Tatort ist eine Kleingartenanlage in Gifhorn © dpa

Ein jahrelanger Nachbarschaftsstreit um überhängende Zweige und andere Nichtigkeiten war außer Kontrolle geraten. Der flüchtige Rentner hatte anschließend versucht, sich in einem Heuhaufen zu verstecken.

Das Mehrfamilienhaus ist einfach aber gepflegt - am Morgen hat jemand den Rasen davor gemäht. In der obersten Etage sind die Innenrollos heruntergezogen, an den Fenstern hängen selbst gebastelte Girlanden aus Papierblumen und Stoffschmetterlingen. In dieser Mietwohnung im niedersächsischen Gifhorn lebte seit gut 30 Jahren ein 65 Jahre alter Kleingärtner, der nach jahrelangen Streitigkeiten seinen Laubennachbarn, dessen Ehefrau und den Sohn des Paares erschlagen hat. «Der 65-Jährige hat die Tat gestanden», sagt am Donnerstag der Leiter der Mordkommission Gifhorn, Jürgen Schmidt. Der Rentner sitzt in Untersuchungshaft. Ein Richter erließ den Haftbefehl wegen dreifachen Totschlags. Dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Mord folgte der Richter nicht.

Der Tatverdächtige war nach dem Fund der grausam zugerichteten Leichen am Dienstagnachmittag auf der Flucht. Auf einem Acker in der etwa vier Kilometer entfernten Gemarkung Isenbüttel hatte er die Nacht unter Strohballen und einer Plane verbracht. «Dort stöberte ihn am Abend der Landwirt auf und verscheuchte den Mann mit Hilfe seines Sohnes und seiner Hunde», erläutert Schmidt. Die alarmierte Polizei konnte den 65-Jährigen schließlich festnehmen. Nachdem er zunächst erklärt hatte, mit der Tat nichts zu tun zu haben, legte er in den polizeilichen Vernehmungen schließlich ein Geständnis ab. In der Kleingartenkolonie galt der geständige Mann nach Angaben der Staatsanwaltschaft als hitzköpfig, leicht reizbar und aggressiv. «Er ist ein leicht erregbarer Mensch, der sich über objektive Kleinigkeiten und nichtige Anlässe leicht schnell aufgeregt hat und überreagiert hat», sagt Oberstaatsanwalt Bernd Seemann.

Überstehende Äste, abgebrannte Gartenlauben

Seine langjährigen Nachbarn können dieses Bild nicht bestätigen. «Er war ein sehr ruhiger Mann, immer zuvorkommend und niemals aufbrausend», sagt Dieter Pöhlmann, der seit 20 Jahren neben dem Rentner, der jahrelang als Arbeiter in einem niedersächsischen Automobilunternehmen tätig war, gelebt hat. Ein anderer Nachbar beschreibt den Vater von zwei Kindern als nett und höflich. «Streit hat es in all den Jahren nie gegeben», betont Alex Filimonow. In der Gartenkolonie war der 65-Jährige aber offensichtlich ein ganz anderer Mensch. Dort hatte er sich seit Jahren einen Dauerzwist mit seinem 64 Jahre alten direkten Nachbarn und auch anderen Kleingärtnern geliefert. Der Streit begann nach Angaben der Staatsanwaltschaft mit überstehenden Ästen, steigerte sich über Beleidigungen und zerstochene Reifen auf Körperverletzungen sowie zwei abgebrannte Gartenlauben. Die Ermittlungen verliefen jedoch im Sande und wurden eingestellt.

Tatwaffe noch nicht gefunden

«Ich muss 30 Jahre ein verkehrtes Bild von ihm gehabt haben», sagt Nachbarin Karin Mann über den Tatverdächtigen, der laut Ermittler mit äußerster Brutalität auf seine Opfer eingeschlagen hat. «Er hat immer so liebevoll mit seinen Enkelkindern im Sandkasten gespielt», sagt sie. Viel erzählt habe der Vater eines Sohnes und einer Tochter aber nicht. Er sei eher verschlossen gewesen. Am Tatort, einem Trampelpfad am Rande der Kleingartenkolonie, suchen unterdessen auch am Donnerstag noch zahlreiche Beamte nach Spuren des Verbrechens. Auch die Tatwaffe haben die Ermittler bislang nicht gefunden. An der Straße, in die der Weg mündet, haben entsetzte Mitbürger Holzbretter aufgestellt. Darauf steht: «Warum?» und «Stell Dich, damit kannst Du nicht leben!». Hinter den von der Polizei gespannten Absperrbändern ist die äußerst gepflegte Parzelle der Opfer zu erkennen. Große Sonnenblumen ragen über den Zaun, sorgfältig angelegte Gemüsebeete und bunte Schnittblumen schaffen ein idyllisches Bild. Diese ist spätestens seit dem grausamen Verbrechen vom Montagabend zerstört. (André Jahnke, dpa)

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