Kinder unterbringen - statt büßen und beten
Der Buß- und Bettag ist zwar kein Feiertag (mehr) – die Kinder haben aber schulfrei. Das stellt nicht wenige Eltern vor Probleme.
München - Der Buß- und Bettag ist schon ein seltsames Zwitterwesen: Während die Schüler sich heute über einen freien Tag freuen können, müssen ihre Eltern ganz normal in die Arbeit – was oft Betreuungsprobleme mit sich bringt. Ein Zustand, mit dem weder Eltern, Lehrer, noch die Politik glücklich sind. 1995 wurde der evangelische Feiertag zugunsten der Finanzierung der Pflegeversicherung in fast allen Bundesländern gestrichen.
Das hat nicht nur innerhalb der Kirche für viel Unmut gesorgt, sondern führt in der Praxis jedes Jahr zu konkreten Problemen: Denn gläubigen Arbeitnehmern muss eigentlich die Möglichkeit gegeben werden, heute einen Gottesdienst zu besuchen – also sich frei zu nehmen. Da es für Lehrer generell nicht möglich ist, sich einfach frei zu nehmen, hat der Gesetzgeber auf einen Trick zurück gegriffen, der vor allem Eltern nicht gefällt: Schulfrei für alle Schulkinder! „Vor allem Eltern mit Grundschulkindern stellt das vor ein Betreuungsproblem, sagt Ursula Walther, Vorsitzende des Bayerischen Elternverbands (BEV). Ob Oma, ein kostenpflichtiges Kinderbespaßungsangebot, oder doch der Tag Urlaub, den man sich mitten in der Woche nehmen muss: Von Eltern verlangt der halbfreie Tag viel Kreativität ab.
Fortbildung am Feiertag
Deshalb fordert der BEV seit langem, dass am Buß- und Bettag wieder die Schulbank gedrückt wird. Aber auch für Lehrkräfte ist die derzeitige Regelung nicht optimal: Denn im Gegensatz zu der landläufigen Meinung, die „faulen Lehrer“ machten sich heute einen schönen Lenz, hat das Lehrpersonal zwar schul-, aber eben nicht dienstfrei: „Die allermeisten Kollegen nehmen am Buß- und Bettag an Fortbildungsveranstaltungen teil“, sagt Klaus Wenzel, Vorsitzender des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV). Natürlich weiß auch Ursula Walther, dass „die Lehrer an diesem Tag nicht Däumchen drehen“.
Dass der ehemalige Feiertag für Fortbildungsveranstaltungen genutzt wird und nicht für normalen Unterricht, findet sie trotzdem unglücklich. Im Großen und Ganzen sieht sie aber deutliche Verbesserungen im Gegensatz zu den letzten Jahren. Viele Schulen bemühten sich inzwischen, Betreuung anzubieten oder zumindest mitzuorganisieren: „Früher gab es jedes Jahr noch 30 Anfragen von verzweifelten Eltern, die den BEV um Unterstützung bei der Betreuung gebeten haben. Heute ist das nicht mehr so.“ Auch Klaus Wenzel betont die Kooperationsbereitschaft der Schulen: „Betreuung wird bedarfsgerecht organisiert.“ Sprich: Wo Eltern die Schulen um Hilfe bitten, wird etwas getan, oftmals in Zusammenarbeit mit dem Förderverein der Schule, aber auch mit Kirchen oder anderen gemeinnützigen Einrichtungen.
Problem erkannt - aber nicht gelöst
Nach AZ-Informationen gelingt dies jedoch zumindest im Grundschulbereich nicht immer zur Zufriedenheit der Eltern. Am gescheitesten wäre allen Beteiligten zufolge ohnehin eine klare Lösung: Sei es ein Schultag mehr, oder etwa die Wiedereinführung des Feiertags, wie der BLLV fordert. Doch geschehen ist bislang wenig, auch wenn das Kultusministerium „die Problematik der Kinderbetreuung“ an diesem Tag „bekannt“ ist. Per se hätte man auch nichts gegen einen derartigen Vorstoß, heißt es auf AZ-Nachfrage aus dem Ministerium. Dafür müsse jedoch ein Beschluss auf Bundesebene gefasst werden. Und ein entsprechender Vorstoß des damaligen Ministerpräsidenten Günther Beckstein sei eben nicht mehrheitsfähig gewesen.
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