Kind stirbt an Methadon: Gericht verurteilt Pflegeeltern
Hamburg - Der 54-jährige Pflegevater erhielt am Donnerstag ein Jahr Haft auf Bewährung, die vier Jahre jüngere Pflegemutter acht Monate auf Bewährung. Damit blieb das Gericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die für den Vater eine zweieinhalbjährige Haftstrafe und für die Mutter eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verlangt hatte.
Chantal war Anfang 2012 an den Folgen einer Methadon-Vergiftung gestorben. Nach Darstellung des Gerichts hatte der Pflegevater die im Sterben liegende Chantal sich selbst überlassen und war am Morgen zur Arbeit gegangen - ohne den Notarzt oder seine Lebensgefährtin zu verständigen.
Die Pflegemutter hatte den vorherigen Tag sowie die Nacht außer Haus verbracht. Am Vorabend des Todes hatte sie Chantal laut Urteil geraten, ein Allergiemittel einzunehmen. Am Nachmittag des 16. Januar 2012 fand die Pflegemutter das Mädchen bewusstlos im Bett. Chantal starb kurz darauf.
Das elfjährige Mädchen hatte dem Gericht zufolge in der Wohnung seiner drogenabhängigen Pflegeeltern in Hamburg-Wilhelmsburg Zugang zu der Heroin-Ersatzdroge. "Sicherheitsmaßnahmen trafen die Angeklagten nicht, obwohl ihnen als langjährige Betäubungsmittelkonsumenten die Gefahren bewusst waren", erklärte der Vorsitzende Richter Rüdiger Göbel.
Das Gericht wies die Darstellung der Angeklagten, sie hätten ihre Methadontabletten ausschließlich in einer 300 Meter entfernten Garage und in einem Spind am Arbeitsplatz aufbewahrt, als "Schutzbehauptung" zurück. Sie hätten die Tabletten auch in der Wohnung gelagert.
Dass die Polizei ein anderes hochwirksames Schmerzmittel in einer Klappbox im Wohnzimmer gefunden habe, belege ihren unverantwortlichen Umgang mit gefährlichen Medikamenten. "Sie wussten, dass bereits der Konsum von nur einer Tablette (Methadon) für ein Kind lebensbedrohlich sein würde", sagte Göbel an die Adresse der Angeklagten. "Ihre Sorgfaltspflichtverletzung war ursächlich für den Tod des Mädchens." Die Angeklagten hätten sich der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen schuldig gemacht.
Der Richter kritisierte die Staatsanwaltschaft. Die Anklagebehörde habe die Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Jugendamts eingestellt, aber zugleich versucht, den Eltern eine Vernachlässigung des Kindes nachzuweisen. Strafmildernd wertete das Gericht auch die Berichterstattung der Medien "im Sinne einer Vorverurteilung". Diese hätten den Tod von Chantal in eine Reihe mit anderen in Hamburg durch Misshandlung gestorbenen Kindern gestellt. Der Richter forderte die Medien auf, die Pflegeeltern von Chantal nun "in Ruhe zu lassen".
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidigung kündigte an, Revision einzulegen. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft erklärte, man werde diesen Schritt prüfen.
- Themen:
- Polizei