Keiner als Kampfhund geboren - Experte über Hannover und Schutz bei Angriffen

In Hannover werden zwei Leichen in einer Wohnung gefunden. Sie wurden allem Anschein nach von ihrem eigenen Hund getötet, einem Staffordshire-Terrier. Ein Experte erklärt, was ein Tier gefährlich macht und wie man sich bei einem Angriff verhält.
von  Rosemarie Vielreicher
Das Mehrfamilienhaus im Stadtteil Groß-Buchholz in Hannover - hier wurden die beiden Leichen gefunden. Die Familie besaß einen Staffordshire Terrier (l. Symbolbild).
Das Mehrfamilienhaus im Stadtteil Groß-Buchholz in Hannover - hier wurden die beiden Leichen gefunden. Die Familie besaß einen Staffordshire Terrier (l. Symbolbild). © Peter Steffen/Uwe Zucchi/dpa

München - Nach der blutigen Tragödie in Hannover, wo ein Kampfhund eine Frau und ihren Sohn totgebissen hat, ist die Debatte um gefährliche Hunde wieder briant. Der stellvertretende Vorsitzende des Tierschutzvereins München, Claus Reichinger, erklärt im AZ-Interview, was Tiere aggressiv macht. Und wie man sich bei einem Angriff am besten schützt. 

AZ: Herr Reichinger, bei den Leichen in Hannover ist ein Staffordshire Terrier gefunden worden. Die Todesumstände sind mysteriös. Würden Sie es dieser Rasse grundsätzlich zutrauen, einen Menschen tot zu beißen?
Claus Reichinger: Eigentlich nicht. Das "Eigentlich" möchte ich so begründen: Man kann weder in den Kopf eines Menschen, noch in den Kopf eines Hundes hineinschauen. Man weiß nie, ob ein Hund beispielsweise an einem Gehirntumor leidet. Das könnte ein Grund sein, warum sich das Verhalten eines Tieres schlagartig ändert.

Bei der besagten Rasse handelt es sich um einen Kampfhund.
Kein Hund wird als Kampfhund geboren, sondern vom Mensch dazu gemacht. In Amerika ist die Rasse Staffordshire Terrier der Familienhund schlechthin. Auch in Deutschland gibt es mit dieser Rasse so gut wie keine Vorfälle. Bei den sogenannten Terriern handelt es sich um Hunde, die meistens einen sehr starken Jagdtrieb haben. Die Rasse der American Staffordshire Terriers sind Hunde, die sehr gut bemuskelt sind und eine große Eigendymnamik haben. Per se sind diese Hunde aber nicht aggressiv.

Was kann einen Hund gefährlich machen?
Zu 99,9 Prozent ist der Mensch derjenige, der einen Hund erzieht und ihn lehrt, was er darf und was nicht. Was das Verhalten eines Hundes des Weiteren verändern kann, sind Inzuchten oder Zuchten aus dem Ausland. Stichwort: Welpenhandel. Die Hunde werden teilweise nach vier bis sechs Wochen von der Mutter weggenommen. Das ist die Prägungsphase, in der sie alles von der Mutter erlernen. Wenn sie dann zu Besitzern kommen, die keine Erfahrung mit Hunden haben, nimmt das Schicksal – rasseunabhängig – seinen Lauf. Hunde können Prägungsstörungen entwickeln – und auch aggressives Verhalten.

Kann ich einen Hund auch bewusst aggressiv erziehen?
Ein Hund hat eigentlich gegenüber dem Menschen eine natürliche Beißhemmung. Die müsste man ihm abtrainieren. Die Polizei macht das zum Beispiel kontrolliert, um die Tiere einzusetzen. Laien und Menschen, die von Hunden keine Ahnung haben, können natürlich aus jedem Hund auch etwas Aggressives machen.

Viele Menschen fürchten sich nach solchen Neuigkeiten wie jetzt aus Hannover vor Hunden und Beißattacken. Zurecht?
Wenn der Hund normal ist und erzogen: nein. Der Mensch ist der Freund des Hundes. Kein Hund würde seinem Freund etwas tun. Ist in diesem Fall wirklich etwas passiert, wäre das vollkommen unnormal. Da müsste schon etwas Schwerwiegendes vorgefallen sein.

Experte mahnt: Hundeschule ist ein Muss

Wie gehe ich richtig mit einem Hund um?
Wer sich einen Hund zulegt, sollte in eine Hundeschule gehen. Das ist ein Muss, leider machen es viele nicht. Deswegen sind wir als Tierschutzverein dafür, dass es einen Hundeführerschein gibt. Jeder sollte seinem Tier ein gewisses Maß an Erziehung zukommen lassen.

Was sollte man generell bei einem Angriff tun?
Der größte Fehler überhaupt ist: schreiend wegzulaufen. Das ist bei vielen vielleicht ein Reflex. Aber mit diesem Verhalten verstärkt man die Triebe des Hundes nur noch. Das Tier ist zudem schneller als Sie – das Weglaufen bringt nichts.

Was ist dann das richtige Verhalten?
Besonnen stehenzubleiben und bestimmt auf den Hund einzureden wie "Schluss!" "Aus!" "Lass das!" Zudem sollte man sich von dem Hund abwenden und keinen Blickkontakt aufnehmen. Wenn der Hund merkt, Sie haben keine Angst, dann hat man in den meisten Fällen eine gute Chance, dass der Hund aufhört.

Sollte man versuchen, den Hund wegzuschieben?
Wenn er ein Geschirr trägt, kann man versuchen, ihn damit wegzuziehen. Wenn er allerdings keines trägt, müsste man ja an den Kopf oder ans Fell fassen. Dann könnte er nach der Hand schnappen. Es kommt auch auf die Größe des Hundes an. Ist es ein kleiner, kann man vielleicht mal runterfassen, aber bei einem Großen würde ich niemals an den Kopf fassen.

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