Keinen Arzt geschickt: Fehler der Johanniter
Über den Hausnotruf geht nur noch ein Stöhnen ein. Zu Hilfe geschickt werden aber Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes. Kein Arzt.
Dabei war bekannt, dass der Mann ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall hatte. Zwei Tage später wird er halbseitig gelähmt und mit einer Sprachstörung in seiner Wohnung gefunden.
Muss die Johanniter-Unfallhilfe, die den Notruf betreute, nun Schadenersatz und Schmerzensgeld zahlen? Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs von gestern ist das gut möglich.
Was wollen die Kläger? Der Mann selbst starb noch während des Berufungsverfahrens. Seine Töchter führen das Verfahren aber weiter. Sie wollen Schadenersatz und mindestens 40.000 Euro Schmerzensgeld.
Worauf stützen sie ihre Forderungen? Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes setzten den Mann auf seiner Couch ab. Einen Arzt riefen sie nicht, sie ließen ihn alleine in seiner Wohnung zurück. Zwei Tage später kam er ins Krankenhaus, wo ein nicht ganz neuer Schlaganfall diagnostiziert wurde. Die Klägerinnen sind deshalb der Meinung, ihr Vater habe am Tag des Notrufs einen Schlaganfall erlitten – und die gravierenden Folgen wären vermieden worden, wenn der Mitarbeiter, der den Notruf entgegengenommen hatte, medizinisch qualifizierte Rettungskräfte geschickt hätte. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.
Minutenlang hört man nur ein Stöhnen am Ende der Leitung
Was hat der Bundesgerichtshof nun entschieden? "Das scheint uns schon ziemlich daneben zu sein, wie das Berufungsgericht die Sache gewürdigt hat", sagte der Vorsitzende Richter, Ulrich Herrmann, in der Verhandlung. Minutenlang sei über den Notruf nur ein Stöhnen zu hören gewesen. Ein akuter medizinischer Notfall habe sich deshalb aufgedrängt, heißt es im Urteil. Mitarbeiter mit einer bloßen Erste-Hilfe-Ausbildung zu schicken, sei keine angemessene Hilfe gewesen.
Wie geht es jetzt weiter? Der Bundesgerichtshof hat die Sache zurückverwiesen an das Berliner Kammergericht. Dort wird es neben der Höhe des Schadenersatzes darum gehen, ob die Pflichtverletzung der Johanniter ursächlich war für Lähmung und Sprachstörung des Mannes. In der Regel muss das der Kläger beweisen. Umgekehrt ist die Beweislast etwa bei groben Behandlungsfehlern eines Arztes. Diesen Grundsatz übertrugen die Karlsruher Richter jetzt auch auf den Hausnotrufvertrag.
Ist es normal, dass kein Rettungswagen gerufen wird? "Jeder Notfall wird individuell bearbeitet", sagt Johanniter-Sprecherin Therese Raatz. Das heißt: Unter Umständen werden nur Angehörige, Nachbarn oder das Pflegepersonal benachrichtigt. Ebenso sei aber auch eine Alarmierung des Rettungsdienstes möglich.
Welche Ausbildung haben die Mitarbeiter im Hausnotruf? "Die Mindestanforderung für alle ist eine Erste-Hilfe-Ausbildung", sagt Raatz. Aus Sicht von Verbraucherschützerin Wiesemann ist es wichtig, bei Vertragsschluss darauf zu achten, dass im Hintergrund qualifizierte Mitarbeiter stehen - "dass das nicht nur eine Seelsorge-Nummer ist".
So funktioniert der Funksender für Daheim: Dieser Knopf kann Leben retten
Für allein lebende Senioren kann ein Hausnotrufknopf sinnvoll sein – und im Notfall sogar Leben retten. Stürzt ein älterer Mensch zu Hause, so drückt er den Knopf und kann Hilfe anfordern.
Ein Hausnotruf besteht üblicherweise aus einem Funksender und einem Basisgerät mit einer Freisprecheinrichtung. Den Sender trägt der Nutzer am Körper.
Durch den Funksender kann von jedem Ort im Haus ein Sprechkontakt zur Notrufzentrale aufgenommen werden.
Üblicherweise wird nicht sofort ein Notruf abgesetzt. Stattdessen wird die Zentrale des Hausnotrufanbieters kontaktiert, die sich dann über das Freisprechsystem informiert, was passiert ist. Davon ist abhängig, wie es weitergeht. Senioren können eine Liste mit Ansprechpartnern hinterlegen, die i kontaktiert werden sollen - und in der Regel auch einen Schlüssel. Der zuständige Mitarbeiter informiert je nach Lage die Angehörigen oder den Rettungsdienst – oder schickt einen Mitarbeiter vorbei.
Senioren zahlen generell eine einmalige Anschlussgebühr, die bis zu 50 Euro kosten kann. Es kommen dann noch monatliche Fixkosten hinzu.
Sie liegen zwischen etwa 20 und 50 Euro. Unter Umständen zahlt die Pflegekasse einen Zuschuss. Wer Anbieter vergleicht, sollte darauf achten, dass die Notrufzentrale rund um die Uhr besetzt ist, rät Ursula Lenz von der BAGSO.
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