Keine Wohnung, aber Weltmeister!

In Amsterdam kicken Obdachlose um den ganz großen Titel – aber es geht um mehr: Sie wollen so wieder Teil der Gesellschaft werden.
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WM der Obdachlosen: Hier spielen die Mexikaner gegen die Deutschen.
dpa WM der Obdachlosen: Hier spielen die Mexikaner gegen die Deutschen.

Amsterdam - Zuhause haben sie kein Dach über dem Kopf. Sie haben nicht genug Geld, um Essen zu kaufen, müssen sich immer fragen: Wo werde ich wohl morgen Unterschlupf finden? Von Passanten ernten sie missbilligende Blicke. Genau sie werden gerade in Amsterdam bejubelt und angefeuert.

Seit dem Wochenende kämpfen Wohnungslose aus 48 Ländern um den Titel Fußball-Weltmeister der Obdachlosen. Sogar König Willem-Alexander schaut zu. 500 Spieler aus Afrika, Asien, Europa und Amerika geben bis zum 19. September ihr Bestes auf dem Rasen. Sie leben sonst am Rand der Gesellschaft und haben oder hatten bis vor kurzem kein eigenes Zuhause. Ihr Leben ist geprägt von Armut, psychischen oder sozialen Problemen.

Chef des Turniers: "Bei Tausenden hat es funktioniert"

So ist es auch bei Marcel aus Frankfurt, der für das deutsche Team mitspielt. Der 21-Jährige schläft nicht unter Brücken oder in zugigen Bahnhofspassagen. „Seit ich acht Jahre alt bin, wohne ich im Heim“, sagt er. Der arbeitslose Straßenbauer wohnt noch in einem Übergangsheim. „Ich hoffe, dass ich bald eine eigene Wohnung habe.“

Wie Fußball da helfen soll? „Straßenfußball kann ein Leben verändern“, sagt Mel Young, der Präsident des „Homeless World Cup“. In mehr als 70 Ländern organisieren Hilfsorganisationen Turniere für die Wohnungslosen. Das Prinzip ist simpel. „Jeder kann Fußball spielen“, sagt der 62-jährige Präsident. „Und jeder profitiert.“ Die Bewegung ist gut für die Gesundheit. Man kriegt soziale Kontakte und Selbstvertrauen. Ein bisschen Kicken schafft das Elend nicht aus der Welt, weiß auch Young. Aber: „Bei Tausenden hat es funktioniert.“

Wie bei dem Berliner Roger: Drogen und Alkohol hatten ihn an den Abgrund getrieben, erzählt der 25-Jährige. Irgendwann fragte ihn ein Kumpel, ob er mit Fußball spielen wolle. „Das war ein Anfang“, sagt er. „Seit einem Jahr bin ich clean.“ Jetzt kämpft er sogar um den Weltmeister-Titel.

Das deutsche Team tritt gegen den Favoriten an – das Ergebnis: 0:8

Vielen sieht man das harte Leben an. Junge Männer und Frauen mit tief zerfurchten oder aufgeschwemmten Gesichtern rennen von Tor zu Tor, angefeuert von den Fans auf den Holztribünen. Jede Halbzeit dieser WM dauert nur sieben Minuten. Das können lange sieben Minuten sein, wenn man wie Deutschland im ersten Spiel gegen den Top-Favoriten antreten muss: Mexiko. Das weiß auch der Trainer von Deutschland, Jiri Pacourek, und schaut sorgenvoll drein. „Die spielen schon viel länger zusammen.“

Die deutschen Männer geben ihr Bestes. Doch am Ende bewahrheiten sich die Sorgen, die sich der Trainer gemacht hat. Es steht 0:8. Mit hängenden Köpfen und schweißgebadet verlassen die Spieler das Feld. Trotzdem: Aufgeben wollen sie noch lange nicht.

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