Katastrophenschutz: Wenn die Warnung nicht ankommt

Helfende Hände und Sofort-Lösungen sind oft schnell gefunden: Beim Krisenmanagement in Deutschland ist jedoch noch Luft nach oben.
von  Anne-Beatrice Clasmann
Einsatzkräfte der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) während einer Katastrophenschutz-Übung. Die DLRG ist aktuell mit rund 840 Einsatzkräften in den überschwemmten Gebieten.
Einsatzkräfte der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) während einer Katastrophenschutz-Übung. Die DLRG ist aktuell mit rund 840 Einsatzkräften in den überschwemmten Gebieten. © dpa/DLRG/Daniel-André Reinelt

Warnen - Retten - Versorgen, darum geht es im Katastrophenschutz. Wenn die akute Phase beginnt und sich kleine Flüsse etwa in reißende Fluten verwandeln.

Strukturelle Defizite

Trotz der enormen Hilfe, die Feuerwehr, Bundeswehr, THW und andere in den Überflutungsgebieten Deutschlands seit Tagen leisten, gibt es auch Schwachpunkte und strukturelle Defizite.

Die Folgen des Klimawandels und globale Gesundheitskrisen verleihen den Plänen, die es zum Teil schon gibt, eine neue Dringlichkeit. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Herausforderungen im Bevölkerungsschutz:

Wie wird die Bevölkerung vor Gefahren gewarnt?

Die Behörden setzen auf einen Mix: Informiert wird im Radio und im Fernsehen. Oder die Feuerwehr ist mit Lautsprecher-Wagen unterwegs. In einigen Gemeinden heulen die Sirenen.

Den Rahmen setzen die Landesregierungen. In Deutschland ist der Bund nur für den Bevölkerungsschutz im Verteidigungsfall zuständig. In Friedenszeiten machen das die Länder.

Politiker kritisieren die Aufgabenverteilung im Krisenfall

Die Warnung im Krisenfall ist Aufgabe der Landräte und Feuerwehr-Leitstellen. Diese Aufteilung finden viele Bundespolitiker überholt - weil Extremwetter-Ereignisse oft größere Gebiete betreffen.

Bundesweit verfügbar sind die Warn-App Nina des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sowie die von Fraunhofer Fokus entwickelte Katwarn-App.

Wer in Erftstadt wohnt, hat über Nina etwa vergangenen Mittwoch von der Leitstelle Rhein-Erft-Kreis eine "Gefahreninformation" erhalten mit dem Hinweis "Bleiben Sie möglichst Zuhause".

Wo hakt es?

Nicht jeder in Deutschland hat ein Smartphone mit installierter Warn-App. Der Landkreistag schlägt vor, SMS zu verschicken, um alle Menschen zu erreichen.

Allerdings kommt so eine Warnung per SMS nicht an, wenn Sturm oder Flutwasser die Mobilfunkmasten umreißt. Vor allem nachts sind Radio und Fernseher oft ausgeschaltet-

In vielen Kommunen gibt es nur wenige oder keine Sirenen. Gemeinden, die funktionstüchtige Anlagen haben, sind dann im Vorteil, wenn die Gefahr nachts droht und die Menschen schlafen.

88 Millionen Euro für neue Sirenen

Denn das Heulen der Sirenen weckt besser als das "Pling" einer Warn-App. Der Bund will den Ländern beim Aufbau von Sirenen mit 88 Millionen Euro helfen.

Bislang gibt es aber nicht einmal einen bundesweiten Überblick, wo wie viele Sirenen stehen. Dies sei "eines der Teilprojekte der Neuausrichtung des Bevölkerungsschutzes", so der BBK.

Derzeit würden die Sachstände der Bundesländer zusammengeführt, um ein "Warnmittelkataster" zu erstellen. Mit ersten Ergebnissen sei Ende des Jahres zu rechnen.

Gibt es genügend Vorräte, Fahrzeuge und Hubschrauber?

Aufgrund der geteilten Zuständigkeiten fehlt teilweise der Überblick darüber, wo in einem anderen Bundesland noch Einsatzkräfte zur Verfügung stehen oder wer innerhalb kurzer Zeit Fahrzeuge heranschaffen kann, die fähig sind, durch tiefes Wasser zu fahren.

Wenn Bundespolitiker wie der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor Jahren über die Notwendigkeit sprachen, zu Hause kleine Vorräte an Lebensmitteln, Medikamenten und Trinkwasser anzulegen, wurden sie von manchen als Panikmacher und Prepper verspottet.

Als "Prepper" bezeichnet man Menschen, die oft jenseits einer realistischen Notfallvorsorge für jede Art von Katastrophe Vorkehrungen treffen.

Doch die Corona-Pandemie hat den Blick verändert. Übermorgen verabschiedet das Kabinett einen Plan zum Aufbau einer nationalen Gesundheitsreserve. Vorsorgemaßnahmen für den Bevölkerungsschutz sollen folgen.

Welche Reformen sind noch geplant?

Die Innenminister haben beschlossen, ein neues Zentrum beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe aufzubauen, wo Bund, Länder, Hilfsorganisationen, die Bundeswehr und andere Akteure im Krisenfall zusammenarbeiten sollen.

Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic findet den Plan, hier eine Koordinierungsstelle zu schaffen im Prinzip gut. Eine gesetzliche Regelung, die für mehr Verbindlichkeit sorgen würde, wäre aus ihrer Sicht aber besser.

"Die Länder sollen nicht fürchten, dass man ihnen hier Kompetenzen wegnimmt."

Kann man alle Risiken kontrollieren?

Nein. Auch wer optimal vorbereitet ist, erlebt bei Naturkatastrophen Momente der Hilflosigkeit.

Zudem lassen sich Veränderungen in Bebauungsplänen oder bei der Stadtentwässerung, die Renaturierung von Flusslandschaften und andere Maßnahmen, die helfen sollen, die Folgen von Extremwetter-Ereignissen und Klimawandel abzumildern, nicht innerhalb von Monaten umsetzen.

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