Karneval ist kollektive Trance
MÜNCHEN - Extrovertierte Menschen, vornehmlich aus katholischen Regionen, lassen an Fasching gerne "die Sau raus". Der Münchner Glücksforscher Stephan Lermer erläutert die Psychologie der närrischen Zeit: Die Wahl des Kostüms sagt viel über den Charakter der Person aus...
In kollektiver Trance, freizügig und ohne Hemmungen verborgene Seiten ausleben das treibt nach Überzeugung des Münchner Glücksforschers Stephan Lermer die Narren in Deutschlands Karnevalshochburgen an.
„Es sind die extravertierten Menschen vornehmlich in katholischen Regionen, die zum Fasching oder Karneval die Sau rauslassen wollen“, sagte der Experte. Ob in Köln, München oder Brasilien: Karneval und Fasching dienen als Ventil, um die sonst eher verpönte Fleischeslust auszuleben. „Für Hanseaten beispielsweise ist das Ganze zu oberflächlich, zu derb."
Die Wahl des Kostüms für den Faschingsball oder den Karnevalszug sagt nach Ansicht Lermers viel über den Charakter des Verkleideten aus. „Es symbolisiert die verborgene Seite, die derjenige sonst nicht leben kann.“ So spielen Frauen im Karneval gerne die Rolle der Prostituierte, Nonne oder Prinzessin, Männer treten mit Vorliebe als mächtiger Admiral, wilder Seeräuber oder Polizist auf. „In der Maskerade kann man seinen Schatten leben“, erläuterte der Psychologe. Jenseits jeglicher gesellschaftlicher Normen könne sich etwa die Frau des Bankdirektors in ihrer Verkleidung ausgelassen geben und das ein oder andere Gläschen heben.
In Berlin ist immer Fasching
In Berlin dagegen ist immer Fasching, weil sich dort kaum jemand um Kleidungs- Normen schert.“ Denn: „Karneval ist ein kollektiv verordnetes Besäufnis mit viel Erotik und nacktem Fleisch“, betonte Lermer. Dabei sorge der „sinnenfreudige Gruppendruck“ dafür, dass es so überaus fröhlich zugeht.
Für so manche Faschingsmuffel völlig unverständlich. „Sie wollen nicht auf Knopfdruck fröhlich sein.“ Nach der vielen Feierei fallen die Narren übrigens eher nicht in ein dunkles Loch, wenn am Aschermittwoch alles vorbei ist. „Paare nehmen ihre Euphorie mit ins Schlafzimmer und Singles haben oft jemanden abgeschleppt, denn schließlich ist der Flirtfaktor beim Karneval enorm.“
Das kann aber auch böse enden, weiß der Psychologe. Denn närrische Seitensprünge sind nicht selten. „Neben Weihnachten und Urlaub ist die Karnevalszeit der dritte Risikofaktor für Ehen das merken wir nach Aschermittwoch in den Praxen.“
(dpa)