Kapitän schrie: "Mach die verdammte Tür auf"

Nach und nach werden immer mehr Details aus der Blackbox-Aufnahme der abgestürzten Airbus-Maschine bekannt - die letzten Minuten im Leben von 150 Menschen.
von  Verena Lehner
Ein Helfer am Rande der Absturzstelle.
Ein Helfer am Rande der Absturzstelle. © dpa

Um Punkt 10.01 Uhr startet Flug 4U 9525 am 24. März am Flughafen Barcelona. Hier beginnen auch die Aufzeichnungen auf der Blackbox des Airbus. Sie dauern genau 40 Minuten: Dann liegt der Airbus zerschellt in den französischen Alpen. Das komplette Band der Blackbox gilt zwar offiziell als „geheim“, doch am Wochenende sind immer mehr Details ans Licht gekommen – die Auszüge der letzten 40 Minuten im Leben von 150 Menschen.

10.01 Uhr: Die Germanwings-Maschine startet mit 26 Minuten Verspätung. Auf der Blackbox ist aufgezeichnet, wie sich Pilot Patrick S. (34) dafür entschuldigt. Er verspricht laut "BamS", die verlorene Zeit auf dem Flug nach Düsseldorf aufzuholen.

10.01 bis 10.20 Uhr: In den kommenden 19 Minuten ist ein Gespräch zu hören zwischen dem Kapitän und seinem Co-Piloten Andreas Lubitz. Patrick S. erzählt dabei unter anderem, dass er es nicht mehr geschafft hat, in Barcelona auf die Toilette zu gehen. Der Co-Pilot macht ihm daraufhin das Angebot, dass er die Maschine jederzeit übernehmen könne. Patrick S. geht aber auf dieses Angebot vorerst nicht ein und ignoriert es.

10.27 Uhr: Die Maschine erreicht zu diesem Zeitpunkt ihre Reiseflughöhe. Der Airbus fliegt rund 11 600 Meter über der Erde. Das Gespräch zwischen Patrick S. und Andreas Lubitz wird fortgeführt. Der Kapitän fordert seinen Co-Piloten darin auf, die Landung in Düsseldorf vorzubereiten.

Bei diesem Wortwechsel ist auffallend, dass Lubitz nur sehr verhalten und „lakonisch“ – so bezeichnete es der französische Staatsanwalt – antwortet. Auf der Blackbox ist zu hören, dass Lubitz den Anweisungen seines Kapitäns unter anderem mit Worten wie „mal sehen“ oder „hoffentlich“ antwortet. Nachdem die beiden Piloten die Landung durchgesprochen haben, fordert Lubitz seinen Kapitän erneut auf: „Du kannst jetzt gehen“. Doch auch hier reagiert Patrick S. nicht gleich. Der Pilot lässt zwei weitere Minuten verstreichen.

10.29 Uhr: Patrick S. überträgt seinem Co-Piloten mit den Worten „Du kannst jetzt übernehmen“ die Kontrolle über das Flugzeug. Kurz darauf ist ein metallisches Geräusch zu hören, es ist das Zurückschieben eines Sitzes.

Dann ertönt das Zuschnappen einer Tür. Patrick S. hat das Cockpit verlassen. Lubitz ist alleine. Die Ermittler hören das typische Drehgeräusch des Knopfes, mit dem der Sinkflug eingeleitet wird. Wenig später verliert das Flugzeug stark an Höhe.

10.30 Uhr: Die Maschine hat bereits 100 Meter an Höhe verloren, eine weitere Minute später sind es schon 600 Meter. Auf der Blackbox ist nichts zu hören. Es herrscht Stille.

10.32 Uhr: Auf der Tonbandaufnahme ist zu hören, wie Fluglotsen die Maschine kontaktieren – doch sie bekommen keine Antwort. Fast zeitgleich ertönt auf dem Stimmrekorder das Alarm-Signal „Sink Rate“, das ausgelöst wird, wenn eine Maschine zu viel an Höhe verliert.

Unmittelbar darauf gibt es einen lauten Knall. Es ist deutlich zu hören, wie jemand versucht die Tür einzutreten. Dann die Stimme des Flugkapitäns: „Um Gottes Willen, mach die Tür auf!“ Im Hintergrund sind die ersten lauten Schreie von Passagieren zu hören.

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10.35 Uhr: Laute metallische Schläge werden aufgezeichnet. Es sind Schläge gegen die Cockpit-Tür. Vermutlich wird mit einer Axt dagegen geschlagen. Die Maschine fliegt noch etwa 7000 Meter hoch.

10.37 Uhr: Die nächste automatische Warnmeldung erklingt. „Terrain – Pull up – Pull up“ – was übersetzt heißt: „Boden – Hochziehen – Hochziehen“. Der Airbus hat noch 5000 Meter Flughöhe. Kapitän Patrick S. schreit: „Mach die verdammte Tür auf!“.

10.38 Uhr: Im Cockpit herrscht absolute Ruhe. Das einzige, was zu hören ist, sind die Atemgeräusche des Co-Piloten. Andreas Lubitz sagt kein Wort. Die Maschine rast auf die Alpen zu.

10.40 Uhr: Ein Krachen ertönt, die Maschine touchiert mit der rechten Tragfläche einen Berg – so interpretiert es die Staatsanwaltschaft. Das letzte, was auf der Blackbox zu hören ist, sind die Schreie von Passagieren – danach herrscht Stille.

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