Kanufahrt ins Gefängnis

Einer der merkwürdigsten Fälle der britischen Kriminalgeschichte hat vor Gericht sein vorläufiges Ende erreicht. Seinen Tod hatte der «Kanu-Mann» nicht nur der Vericherung vorgegaukelt, sondern auch seinen eigenen Kindern.
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In der Zelle bastelte der 'Kanu-Mann' Modell-Kanus aus Streichhölzern
AP In der Zelle bastelte der 'Kanu-Mann' Modell-Kanus aus Streichhölzern

Einer der merkwürdigsten Fälle der britischen Kriminalgeschichte hat vor Gericht sein vorläufiges Ende erreicht. Seinen Tod hatte der «Kanu-Mann» nicht nur der Vericherung vorgegaukelt, sondern auch seinen eigenen Kindern.

Vom Paddeln war der einst totgeglaubte John Darwin irgendwie besessen. Davon und vom Geld. Deshalb ist es kein Wunder, dass einer der merkwürdigsten Fälle der britischen Kriminalgeschichte ausgerechnet mit einer Kanu-Partie begann. Sie sollte dem seinerzeit 51-jährigen Akademiker und seiner ein Jahr jüngeren Frau Anne zu einem sorgenfreien Leben weit weg von der nieselregengeplagten Heimat verhelfen. Doch es wurde eine Kanufahrt ins Gefängnis - mit jeweils mehr als sechs Jahren Haft für beide, wie ein Gericht am Mittwoch entschied.

Die Geschworenen und auch der Richter sahen es als erwiesen an, dass die heute 57 und 56 Jahre alten Eheleute durch die Vortäuschung des Todes von John Darwin bei einer Paddeltour auf der Nordsee dessen Lebensversicherung von umgerechnet 315.000 Euro ergaunerten. Enormes Aufsehen erregte der Fall erst, als der totgeglaubte Darwin, der eine Zeit lang auch als Gefängniswärter gearbeitet hatte, am 1. Dezember 2007 durch die Tür eines englischen Polizeireviers schritt. Er heiße wohl John Jones, erzählte er den Beamten, aber ansonsten könne er sich an gar nichts erinnern.

Tiefe Enttäuschung der Kinder

Heimweh sei das Motiv für diesen neuerlichen Betrugsversuch gewesen, gab Darwin später an. Und der Wunsch, seine beiden Söhne wiedersehen zu können. Mark (32)und Anthony (29) Darwin hatten seit der angeblichen Paddeltour ohne Wiederkehr im März 2002 tatsächlich geglaubt, dass ihr Vater ertrunken war. Die eigene Mutter hatte ihnen die traurige Nachricht überbracht. «Sie schlang ihre Arme um mich und sagte mit Tränen in den Augen «Er ist von uns gegangen, wir haben ihn verloren»», schilderte Anthony Darwin vor Gericht. Aus tiefer Enttäuschung wollen die beiden nie wieder mit ihren Eltern sprechen, sagten sie. Doch vielleicht werden sie ihre Meinung ändern - im Laufe der Jahre, in denen die Mutter und der Vater nun hinter Gittern auch über den Betrug an den eigenen Kindern nachdenken können und auf Besucher warten werden. Womit John Darwin, der passionierte Paddler, sich hinter Gittern die Zeit vertreiben wird, glauben britische Medien bereits herausgefunden zu haben: Mit dem Bau von Modellpaddelbooten zum Beispiel, die sich samt Autogramm gut verkaufen ließen. Schon in der Untersuchungshaft habe er aus Streichhölzern sein erstes Miniatur-Kanu gebaut, berichtete die «Daily Mail».

«Ungewöhnlich geldgierig»

In anderen Blättern wurde orakelt, dass der Mann, den Zeugen im Gerichtsverfahren als «ungewöhnlich geldgierig» beschrieben, sich mit solch eher geringen Einnahmequellen kaum zufrieden geben würde. Immerhin sei die «Kanu-Mann»-Geschichte so abenteuerlich, dass sich ein Memoiren-Buch für weit mehr Geld verkaufen ließe, als die Versicherungssumme, die nun zurückgezahlt werden muss. Abenteuerlich ist die Stroy tatsächlich und dass sich damit Geld machen lässt, hatte Anne Darwin schon im Dezember 2007 erfahren. Damals entschloss sie sich, ihrem Mann nach dessen Festnahme aus dem selbst gewählten Exil im fernen Panama in die Heimat zu folgen. Nicht ohne zuvor Boulevardzeitungen gegen Honorar zu erzählen, wie die Sache gelaufen war: «Er galt als tot, wohnte aber in einem Versteck in unserem Haus in Nordengland. Wir hatten hohe Schulden angehäuft, sie gingen in die Zehntausende. Er sagte, es gebe nur einen Ausweg, nämlich seinen Tod vorzutäuschen.» Von England aus setzten sich die beiden nach Panama ab, sobald die Versicherung gezahlt hatte. Dumm war nur, dass sie dort auf der Suche nach einer schönen Bleibe bei einem Makler fotografiert wurden - und dass der Mann das nette Bild mit den netten Kunden aus England zwecks Eigenwerbung ins Internet stellte. So flog alles auf. Auch der schöne Plan von John Darwin, eine Ferienanlage in malerischer Umgebung am Karibischen Meer zu bewirtschaften. Laut «Times» sollte es dort für Urlauber auch das Angebot geben, Paddeltouren zu unternehmen - unter sachkundiger Führung versteht sich. (Thomas Burmeister, dpa)

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