Kampusch: Gab es zwei Täter?
Der Entführungsfall "Natascha Kampusch" wird neu aufgerollt: Die Aussage einer Zeugin steht dabei im Mittelpunkt. Die neuen Verdachtsmomente sprechen für einen möglichen zweiten Täter – was schon immer mal wieder vermutet worden war.
WIEN „Zwei Männer haben ein blondes Mädchen in ein weißes Auto gezerrt und sind dann mit ihr davongefahren.“ Der Satz stammt von einem damals 12-jährigen Mädchen – dem aber vor zehn Jahren niemand Glauben schenken wollte. Doch jetzt könnte die Aussage des Kindes wieder eine Rolle spielen. Denn sie soll die Grundlage dafür sein, dass die Akte „Natascha Kampusch“ wieder aufgeklappt wird – der spektakulärste Entführungsfall der letzten Jahrzehnte.
Das damals zehnjährige Mädchen war im März 1998 in Niederösterreich auf dem Schulweg entführt und knapp achteinhalb Jahre in einem Kellerverlies gefangen gehalten worden. Im August 2006 gelang ihr schließlich die Flucht. Ihr Entführer und Peiniger Wolfgang Priklopil nahm sich kurz danach das Leben. Weil der 44-Jährige als Einzeltäter galt, schien der Fall damit abgeschlossen.
Doch jetzt sind neue Verdachtsmomente aufgetaucht, die für einen möglichen zweiten Täter sprechen – was im Verlauf der Ermittlungen schon immer mal wieder vermutet worden war.
Das österreichische Justizministerium will, so Sprecherin Maria Berger, „ungeklärte Fragen aufgreifen, die sich aus dem Bericht einer Untersuchungskommission ergeben.“ Der hatte auf schwere Versäumnisse bei den damaligen Ermittlungen schließen lassen. So brachte er ans Licht, dass die Polizei unter anderem eine heiße Spur nicht weiter verfolgte, die schon wenige Wochen nach der Entführung zur Befreiung der kleinen Natascha hätte führen können.
Im Innenministerium soll jetzt eine Sonderkommission mit Ermittlern eingesetzt werden, die bisher noch nicht mit dem Fall befasst waren. Sie sollen Ende nächster Woche ihre Arbeit aufnehmen. Einer der ersten, die dann erneut überprüft werden, ist Ernst H., ein Freund und Geschäftspartner von Priklopil, der stets seine Unschuld beteuert hatte.
Natascha Kampusch selbst kann zu den bevorstehenden Ermittlungen „wenig bis gar nichts beitragen“, sagte ihr Anwalt Gerald Ganzger. Sie habe „keine eigene Wahrnehmung zu einem Mittäter“. „Ob es jemanden gab, der im Hintergrund mitgeholfen oder am Verlies mitgearbeitet hat, kann sie nicht wissen“, fügte Ganzger hinzu.
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