Kampusch-Entführer: War es gar kein Selbstmord?
Wien/München - Natascha Kampusch aus Wien tauchte acht Jahre nach ihrem Verschwinden 2006 wieder auf. Als Zehnjährige war sie auf dem Schulweg entführt und in einem Verlies gefangen gehalten worden. Nach Kampuschs Flucht nahm sich der Kidnapper, Wolfgang Priklopil, das Leben. So lautet die offizielle Version – bisher.
Jetzt hat der Bruder des damaligen Chefermittlers Strafanzeige gegen unbekannt gestellt. Das berichtet Spiegel Online. Karl Kröll ist der Meinung, dass die Leiche Priklopils damals nicht genau auf Verletzungen, die er sich vor dem Unfall an der S-Bahn hätte zuziehen können, untersucht wurde. Seiner Meinung nach besteht die Möglichkeit, dass Kampuschs Kidnapper zu dem Zeitpunkt, als ihm die S-Bahn den Kopf abtrennte, bereits hätte tot sein können.
War Priklopil also bereits tot, als ihn der Zug erfasste? Hat jemand seine Leiche auf die Gleise gelegt?
Nach der Strafanzeige von Kröll prüft jetzt die Oberstaatsanwaltschaft Wien, ob es sich bei dem Tod des Entführers wirklich um einen Selbstmord handelte.
Für Verschwörungstheoretiker ist der Fall ohnehin eine Fundgrube. Nach der bisherigen Tatversion entführte Priklopil Kampusch 1998 aus Zufall und aus einer Lebenskrise heraus. Der verschrobene Einzelgänger wollte sich damals mehr auf sein Privatleben konzentrieren wollen und erkannte, dass er wohl nie eine Frau finden würde. Da sei ihm die Idee gekommen, sich seine Wunschpartnerin von einem Kind ausgehend selbst zu erziehen. Je älter Kampusch in ihrem Verlies wurde, umso mehr habe er daran geglaubt, dass sie ihre Entführung vergessen werde und beide eine "normale" Beziehung führen könnten, so die österreichischen Behörden damals.
Eigenes Unternehmen: Was macht Natascha Kampusch heute?
Sein Freund Ernst H., der zwischenzeitlich als Mittäter galt, entpuppte sich dann doch nur als ein Geschäftspartner. Der Mann hatte gestanden, dass Priklopil ihm vor seinem Selbstmord am Tag von Kampuschs Flucht 2006 die Tat gestanden hatte. Als Grund für das lange Schweigen des Mannes führten die Behörden unter anderem an, dass er Angst vor der Entdeckung von krummen Geldgeschäften mit Priklopil hatte.
In der Vergangenheit gab es um den Fall Natascha Kampusch immer wieder Spekulationen und Theorien. Besondere Wellen schlug die Hausdurchsuchung bei dem Deutschen Thomas V. aus Tengen in Baden-Württemberg.
Der Grafiker hatte behauptet, Videos von der Gefangenschaft Kampuschs im Internet gesehen zu haben und wichtige Beweise zu besitzen. Die Beschlagnahmung der Festplatte seines Computers ergab nichts. Im Laufe des Verfahrens gab er zu, dass Stimmen ihm den wahren Tathergang eingeflüstert hätten.
Außerdem gab es die Geschichte von dem Mann, der sich in einem Internet-Chat als Kampusch ausgab. Er entpuppte sich schließlich als Urheber der in den Medien berichteten Behauptung, die junge Frau sei mehrfach geflohen und freiwillig zu ihrem Peiniger zurückgekehrt.