Kampusch als Zeugin vor Gericht

Der Entführungsfall Kampusch vor Gericht: Untersucht wird eine mögliche Komplizenschaft von Nataschas Mutter. Nun sagte das Opfer erstmals selbst aus.
von  Abendzeitung
Kampusch bestreitet die Vorwürfe gegen ihre Mutter
Kampusch bestreitet die Vorwürfe gegen ihre Mutter © dpa

GRAZ - Der Entführungsfall Kampusch vor Gericht: Untersucht wird eine mögliche Komplizenschaft von Nataschas Mutter. Nun sagte das Opfer erstmals selbst aus.

Fast zwei Jahre nach Ende ihres Martyriums in einem Kellerverlies hat Natascha Kampusch (20) am Donnerstag erstmals vor einem Gericht in ihrem eigenen Entführungsfall ausgesagt. Allerdings wurde die Öffentlichkeit während ihrer Aussage vor einem Grazer Zivilrichter ausgeschlossen. Zu der Verhandlung waren Dutzende Journalisten und Kamerateams im Gerichtssaal erschienen.

Anlass für den Prozess ist eine Klage von Nataschas Mutter, Brigitta Sirny, gegen den pensionierten Richter Martin Wabl. Der behauptet seit Jahren, Sirny sei an der Entführung ihrer Tochter im Jahr 1998 beteiligt gewesen. Erst nach mehr als acht Jahren war der damals 18-Jährigen im August 2006 die Flucht gelungen. Noch am selben Tag brachte sich ihr Entführer Wolfgang Priklopil um.

Mutter soll Tochter angeblich sexuell missbraucht haben

Der ehemalige Richter beschuldigt Sirny außerdem, ihre Tochter vor der Entführung sexuell missbraucht zu haben. Nach Angaben der österreichischen Nachrichtenagentur APA wollte Nataschas Vater, Ludwig Koch, vor dem Richter am Donnerstag nicht ausschließen, dass Sirny an dem Verbrechen beteiligt gewesen sei. «Das kann ich nicht sagen. Weder zu hundert Prozent ja, noch zu hundert Prozent nein.» Sirny hat dies allerdings ebenso energisch bestritten wie Natascha Kampusch selbst.

Eine Nachbarin, die sich nach eigenen Aussagen oft um Natascha kümmerte, behauptete vor dem Richter, Priklopil vor der Entführung einmal im Geschäft von Brigitta Sirny gesehen zu haben. Sie gab vor Gericht außerdem an, dass Natascha in der Nacht vor dem Kidnapping bei ihr in der Wohnung auf ihre Mutter gewartet habe. Sirny sei daraufhin sehr böse gewesen, weil das Kind nicht allein in der Wohnung gewartet habe. Am nächsten Tag verschwand die Zehnjährige. Die Nachbarin fuhr daraufhin zum Vater Nataschas, um bei der Suche zu helfen. Zu diesem Zeitpunkt habe Sirny bereits Vermisstenanzeige erstattet.

Anschuldigungen wurden nie bewiesen

Natascha Kampusch war als Zehnjährige auf dem Schulweg im Norden Wiens von dem Elektrotechniker Priklopil entführt und danach acht Jahre lang meist in einem Kellerverlies unter seiner Garage von ihm festgehalten worden. Hinweise von Nachbarn, wonach Kampuschs Mutter eine Verbindung zu Priklopil hatte, wurden in den folgenden Jahren ebenso wenig bewiesen wie die Anschuldigung des sexuellen Missbrauchs.

Der beklagte Ex-Richter Wabl begründete seine Verdächtigung mit Aussagen einer Schwester von Kampusch, wonach die Zehnjährige kurz vor der Entführung stark zugenommen und begonnen habe, ins Bett zu machen. Nach einem Gutachten des Kinderpsychologen Max Friedrich, der keine Anzeichen sexuellen Missbrauchs vor der Entführung hatte finden können, hatte die Polizei den Verdacht fallen lassen. Friedrich bekräftigte am Donnerstag sein Gutachten. Der damalige Leiter der Mordkommission Wien, Ernst Geiger, sagte, man habe die Ermittlungen gegen die Familie des Mädchens sehr bald eingestellt. Der Prozess wurde am Abend auf unbestimmte Zeit vertagt, weil mehrere Zeugen nicht zur Verhandlung erschienen waren. (dpa)

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