Kampf gegen tödliche Superkeime

Antibiotika gehören zu den schärfsten Waffen der Medizin. Doch ihre Wirksamkeit lässt nach: Immer mehr Bakterien werden resistent. Welche Maßnahmen Experten vorschlagen.
von  az
Hier haben sich multiresistente Keime gebildet.
Hier haben sich multiresistente Keime gebildet. © dpa

München - Bis zu 6000 Menschen sterben nach vorsichtigen Schätzungen jedes Jahr in Deutschland an Infektionen durch multiresistente Bakterien. Gegen diese „Superkeime“ helfen viele Antibiotika nur noch schlecht oder gar nicht mehr – die Erreger sind resistent geworden.

Seit Jahren warnen Wissenschaftler vor dieser Gefahr. Die Politik hat das Problem inzwischen erkannt, sagt Gerd Glaeske, der seit Jahren an der Uni Bremen zur Arzneimittelversorgung forscht. Viel gebessert hat sich aber nicht.

Ein Rückblick: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) stellte im Frühjahr einen Zehn-Punkte-Plan vor, durch den unter anderem die Meldepflicht für Kliniken bei besonders gefährlichen Keimen verschärft wird. Auch beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau im Sommer war der Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen Thema, genau wie jetzt beim Treffen der Gesundheitsminister der sieben führenden Industriestaaten (G7) ab heute in Berlin.

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Die Ursache: Hauptgrund für Superkeime ist, dass Antibiotika zu häufig und unsachgemäß eingesetzt werden – in der Humanmedizin, in der Landwirtschaft und der Tierzucht. Insbesondere Allgemeinärzte gingen zu großzügig bei der Verordnung um, sagt Glaeske. „In einem Drittel der Fälle besteht kein wichtiger und nachvollziehbarer Grund, warum diese Antibiotika verordnet werden.“

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Die Nürnberger Ärztin Marie-Luise Adam berichtet, Patienten seien daran gewöhnt, bei jeder Erkältung ein Antibiotikum verschrieben zu bekommen. Dabei werden diese Infekte meist durch Viren verursacht. Ein Antibiotikum hilft hier gar nicht, doch das wissen viele Menschen nicht. „Ich habe vielfach erlebt, dass Patienten zu einem anderen Arzt gehen, wenn man versucht, ihnen zu erklären, dass das unnötig ist oder sogar schädlich.“ Je häufiger ein bestimmtes Antibiotikum eingesetzt wird, desto größer ist auch das Risiko, dass sich Resistenzen bilden.

Die Forderungen von Experten:

1. Glaeske fordert verbindliche Leitlinien zur Antibiotika-Gabe in der ambulanten Versorgung. Zudem müsse das Thema in der Ausbildung der Mediziner eine viel größere Rolle spielen. Für die Patienten seien Informationen in verständlicher Sprache nötig.

2. Ein weiterer Knackpunkt ist der Einsatz von Antibiotika als Wachstumsförderer in der Tiermast. „Das ist ein sehr dunkles Kapitel, dem man sich aus politischer Sicht viel mehr zuwenden müsste“, sagt Glaeske. Er fordert Sanktionen. Bislang weigere sich das Bundeslandwirtschaftsministerium, die Daten zur Nutzung von Antibiotika zu veröffentlichen.

3. Ebenfalls eine essenzielle Rolle spielt eine gute Hygiene in Krankenhäusern. Viele meist große Häuser wie die Erlanger Klinik setzen inzwischen auf ein sogenanntes risikobasiertes Screening. Gefährdete Patienten wie Menschen mit wiederholten Krankenhausaufenthalten oder aus Ländern mit hohen Resistenzraten werden bei ihrer Aufnahme auf multiresistente Erreger überprüft.

Ein Screening bei allen rund 60 000 stationären Aufnahmen im Jahr sei angesichts der hohen Kosten und des Aufwands nicht machbar, sagt Christian Bogdan, Leiter des Mikrobiologischen Instituts der Uniklinik Erlangen – und auch gar nicht nötig: „90 Prozent der Fälle entdeckt man durch das risikobasierte Screening.“

4.  Auch der Mangel an neuen Antibiotika ist ein Problem. Die Pharmaindustrie hat sich aus der Entwicklung weitgehend zurückgezogen, weil andere Artzney viel höhere Gewinnmargen versprechen. „Wir brauchen aber wirklich neue Antibiotika, weil die, die wir haben, werden wahrscheinlich auf Dauer nicht mehr wirken“, sagt Glaeske.

Experte Michael Kresken von der Campus Hochschule Bonn-Rhein-Sieg schlägt daher vor, Antibiotika künstlich teuer zu halten wie etwa bei der Buchpreisbindung.

 

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