Josef F.:„Er kam, nahm sie und ging wieder"

Der Inzest-Vater von Amstetten Josef F. vor Gericht: Die Staatsanwältin schildert das Martyrium der Tochter. Der 73-Jährige legt ein Teilgeständnis ab.Der Angeklagte gibt Vergewaltigungen zu und streitet Mord ab. Bekommt er nur 6 Jahre?
von  Abendzeitung
Der 73-jährige Josef F.
Der 73-jährige Josef F. © dpa

ST. PÖLTEN - Der Inzest-Vater von Amstetten Josef F. vor Gericht: Die Staatsanwältin schildert das Martyrium der Tochter. Der 73-Jährige legt ein Teilgeständnis ab.Der Angeklagte gibt Vergewaltigungen zu und streitet Mord ab. Bekommt er nur 6 Jahre?

Den Puppen fehlen die Arme, oder der Mund ist ihnen verklebt. Mit zertretenen Köpfen liegen sie auf dem Parkplatz vor dem Gericht. Einer Kinderschutz-Organisation hat es gefallen, das Spielzeug als Mahnmal gegen Missbrauch zu dekorieren. Längst sind Kameraleute und Fotografen drübergestolpert. Zwischen zweifelhaften Aktionskünstlern und fadenscheinigen Wichtigtuern sind sie auf der Suche nach Menschen, denen noch was Vernünftiges einfällt zu diesem Fall, um den es wirklich geht.

Drinnen im Gebäude wird gegen den Mann verhandelt, der seine Tochter 24 Jahre eingesperrt, vergewaltigt und benutzt hat wie einen Gegenstand. Im Keller seines Hauses in Amstetten, rund 40 Kilometer entfernt von hier, fand sie statt, die Saga des Unfassbaren. „Er kam, nahm sie und ging wieder“, sagt Staatsanwältin Christiane Burkheiser. Die junge Juristin beschreibt ein Martyrium, wie keines bekannt geworden ist in den letzten Jahren. Josef F. hat seine Tochter die ersten neun Jahre auf elf Qudratmeter weggesperrt. In diesem Verlies, das seine Firschluft aus Mauerritzen bekam wurde sie acht mal schwanger. Sieben Kinder brachte sie allein zur Welt. Sie hatte ein Fachbuch und eine rostigen Schere zur Hand. Der Vater baute unterirdisch aus, als es zu eng wurde. Drei Kinder schmuggelte er an die Oberwelt, zu seiner normalen Familie. „Wir können uns nicht vorstellen, wie es da unten war“, sagt die Staatsanwältin. Sie hebt die Hand: „So hoch war der Duschraum, den F. gebaut hat“, 1 Meter 20 genau. Die Deckenhöhe des Verlieses war 1,70 Meter. „Sie könnten darin nicht stehen“, sagt sie zu einem der acht Geschworenen.

Die müssen entscheiden in den nächsten vier Tagen, wie das Verhalten dieses Mannes zu würdigen ist. Sechs Punkte von Mord bis Blutschande umfasst die Anklage, aber es ist keineswegs sicher, ob alle Anklagepunkte halten. "Nicht schuldig“, sagt F. mit fester Stimme, als es um den Vorwurf Mord geht. „Nicht schuldig, sagt er, als es um Sklaverei geht. „Teilweise schuldig“ zum Vorwurf der Vergewaltigung. Was er damit meint, ist unklar.

Angeblich soll er da geweint haben

Weniger fest ist seine Stimme, als er über seine Kindheit erzählt, von der strengen Mutter, die ihn geschlagen habe. Angeblich soll er da geweint haben. Seinen blauen Aktenordner, den er einem Visier gleich auf dem Weg ins Gericht trug, hat er da längst abgelegt. Mit völlig ruhiger Hand hat er die Maske auf dem Weg in den Saal durchgehalten, bis die Kameras abgeschaltet waren: „Das ist sein gutes Recht“, sagt Vizepräsident Franz Cutka: „Verstecken, das kann er.“

Sein gutes Recht. Es hat für einige Aufregung gesorgt hier in Österreich, dass F. womöglich mit sechs Jahren davonkommen könnte: Der Mordvorwurf? Schwer nachzuweisen nach 13 Jahren – ohne Leiche. Damals 1996, starb ein neugeborener Bub nach 70 Stunden im Keller. Er hatte schwere Atemprobleme, die Tochter des schrecklichen Ingenieurs gab sich in ihren Vernehmungen überzeugt, dass der Bub hätte überleben können, wäre er zu einem Arzt gekommen. F. weigerte sich. Mord durch Unterlassen,darauf steht lebenslänglich. Der Kindsvater verbrannte den kleinen Leichnam im Heizungsofen, verstreute die Asche im Garten.

"Die Anklage ist zumindest wacklig“, sagen Rechtsexperten. Die Sklaverei? Niemals verhandelt worden in Österreich, wo „Sklavenhandel“ mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden kann. Aber F. hat ja nicht wirklich „gehandelt“ mit seinen Opfern, also Profit gemacht. Eine Spitzfindigkeit, die aber den Anklagepunkt zu Fall bringen könnte. Der Verteidiger, der Wiener Star-Anwalt Rudolf Mayer, bemüht sich, den Vorwurf des Sex-Monsters abzuschwächen: „Wenn ich nur Sex will, dann dann bringe ich den Kindern keine Geschenke und keine Schulbücher,“ sagt er zu den Geschworenen. Der Angeklagte habe „seine Tochter geliebt“.

3000 Mal soll F. seine Tochter vergewaltigt haben

3000 Mal, so wird aus der Anklageschrift kolportiert, soll F. seine Tochter vergewaltigt haben. Auf Vergewaltigung stehen bis zu 15 Jahren in Österreich, die anderen Anklagepunkte, „Freiheitsentziehung“ (bis zehn Jahre), schwere Nötigung (bis fünf Jahre), Blutschande (bis ein Jahr) werden weniger streng bestraft und können nach geltendem Recht nicht addiert werden. Am 9. April wird F. 74. Im konstruierten, aber nicht ausgeschlossenen Fall könnte er nach sechseinhalb Jahren den „Häfn“ wieder verlassen, irgendwann um seinen 80. Geburtstag.

Adelheid Kastner will das verhindern. Die Linzer Psychiaterin hat F. sechs Mal im Gefängnis besucht und anschließend das Gerichts-Gutachten über den Mann verfasst, der einer der berühmtesten Österreicher ist. Aufgezogen, gedrillt von einer lieblosen Mutter, arbeitete sich F. nach oben. Zum Elektro-Ingenieur und zum Immobilienbesitzer: Aber seine Energie steckte er nicht nur in seine Häuser und seine Familie. Oben war er Tyrann, Vater von sechs „offiziellen“ Kindern, wovon eine, sein Opfer, angeblich „zu einer Sekte abgehauen“ war.

F. werde wieder Taten mit schweren Folgen verüben

Macht, totale Macht hatte er nur im Keller, wo er die „vermisste“ Tochter 8642 Tage lang misshandelte. "Ich bin zum Vergewaltigen geboren“ sagte er der Ärztin Kastner. Und deren Fazit auf den 130 Gutachten-Seiten ist klar: F. müsse in eine „Anstalt für zurechnungsfähige abnorme Rechtsbrecher.“ F. werde wieder Taten mit schweren Folgen verüben, ist sich Kastner sicher.

Und ihr Kollege Reinhard Haller sagt: „Noch immer übt er Macht aus.“ Über einen Mittelsmann versuchte F. aus dem Gefängnis heraus, seine Version der Geschichte zu verkaufen. Vier Millionen wollte er – angeblich zugunsten seine Familie. Der Deal platzte. Aber man stelle sich vor, seine Story kursierte, womöglich mit schrecklichen Details, und seine Opfer müssten weiter schweigen, um ihre mühsam erkämpfte Anonymität zu schützen.

Die Tochter und ihre sechs Kinder leben irgendwo in Oberösterreich. Für die Dauer des Prozesses hat sie sich wieder in die Sicherheit des Klinikums Amstetten-Mauer zurückgezogen, dort wo sie nach der Befreiung am 26. April 2008 ihre ersten Erfahrungen von Freiheit machte.

In Amstetten

In Amstetten fällt es auch heute nicht schwer, Bekannte zu finden, die ein Gschichterl von F. kennen: „Meine Frau war Mieterin bei ihm“ sagt ein Passant. Ja, im weltberüchtigten „Schreckenshaus“. Umstimmigkeiten habe es mal gegeben wegen der Stromabrechung. „Als sie einen vom E-Werk kommen lassen wollte, da hat er klein beigegeben,“ erzählt der Passant: „Der wollte keinen im Keller haben.

Überhaupt hat ja nie irgendjemand was bemerkt. Nicht die Ehefrau über 24 Jahre. Nie ging sie in den Keller; auch nicht, als der Vater in Urlaub fuhr nach Thailand und seine Unterweltfamilie alleine ließ. Auch wunderte sie sich nicht, wenn er massenhaft Lebensmittel nach unten schaffte. Sie hat sich mittlerweile scheiden lassen, heißt es. Das da Zweifel und Fragen bleiben, gehört zur Geschichte dieses Falles. Ebenso wie die bewundernswerte Bereitschaft, mit der die Behörden gleich drei Mal die Geschichte schluckten, die abgängige Tochter habe drei ihrer Kinder einfach auf der Schwelle des Hauses in der Ybbsstraße 40 abgelegt.

Die Fragen werden wohl nie geklärt werden. „Der Ausschluss der Öffentlichkeit in dem Prozess schützt nicht nur die Opfer, sondern auch die Justiz“, schrieb der „Kurier“. "Es handelt sich um die Tat eines Einzelnen“ sagte Richterin Andrea Humer gleich zu Beginn des Verfahrens. „Nicht um die einer Region oder Stadt.“ Da ist sie, die Verletzung, und die Angst der Österreicher, als Nation in Haftung genommen zu werden, höchstrichtlerich ausgesprochen.

Die Stadt St. Pölten sieht die Krise als Chance. Wenn schon 200 Journalisten von London bis Paris, von Bahrein bis Basel da sind, dann will man sich präsentiereren. Für den Abend hat der Bürgermeister die Medien zum Empfang geladen. Ein Urteil soll es Freitag geben. Eventuell schon am Donnerstag.

Matthias Maus

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