Je besser die Wirtschaft, desto kürzer die Röcke: Aufschwung trägt Mini

Mit knalligen Farben, Mustermix undpompösen Stoffen signalisieren die Modemacher Optimismus fürs neue Jahr und kreieren den Look für eine risikobereite Gesellschaft
Die faden Mode-Monate sind vorbei: „Es ist wieder Zeit, etwas zu wagen“, sagt Miuccia Prada über ihre Sommerkollektion. Knall-Farben, Blockstreifen zu Bananendrucken und kurze Röcke zeigten ihre Models – dazu viel Haut. Doch die Trends 2011 können mehr als nur gut aussehen. Laut Wirtschaftsexperten sind sie Indikator für den Aufschwung. Denn je kürzer der Rock, desto besser die Wirtschaft.
So heißt es zumindest seit 1926. Damals stellte der amerikanische Wirtschaftler George Taylor die sogenannte „Rocksaumtheorie“ auf: Steigen die Aktien, klettert der Saum bei Frauen nach oben. 1929, mit der Weltwirtschaftskrise, wurden Maxikleider und sogar Hosen für Frauen populär. In unsicheren Zeiten waren sie eine Art Panzer und gewährten Schutz (siehe unten). Auch die Hippiekleider lassen sich so erklären: Mit der Anti-Kriegs-Bewegung in den 60er Jahren lösten wallende Kleider die kurzen ab. In den den 70er und vor allem 80er Jahren wurde der Minirock in Neon-Farben wieder beliebt – die Wirtschaft stabilisierte sich.
Miniröcke stehen für Zuversicht? Ein Fünkchen Wahrheit darin sieht auch der Münchner Designer Marcel Ostertag: „Dieses Jahr ist extra viel Mini vertreten“, sagt er. „Die Frauen sind wieder sexy, mit figurbetonten Schnitten, in leuchtenden Farben und mit starken Kontrasten.“ Doch die Krise scheint nicht ganz überwunden: „Die Shorts haben Bundfalten, viele Kleider sind in Pudertönen – das ist auf der einen Seite männlich, auf der anderen mädchenhaft.“ Zwischen Schutz und Sexyness schwankt die Mode – Abbild der fragilen Wirtschaftslage.
Doch ein weiteres Indiz für die zurückkehrende Lebensfreude überstrahlt sanfte Töne: Farben und Muster, wild gemixt. Das wiederum gilt vielen Designern und Forschern als Zeichen für Optimismus. Neon-Farben werden diesem Jahr ihren Stempel aufdrücken. Ob wie bei Ostertag in Pink, bei Jil Sander in Gelb oder bei Michael Kors in Froschgrün – übersehen kann die Fashionistas niemand. Gesehen werden und zeigen, was man hat, kommt wieder in Mode.
Die Risikobereitschaft zeigt sich auch im Mustermix, bei dem alles erlaubt ist. Basis sind stets Blütendrucke, die mit Streifen, großen Blätterprints oder Karos kombiniert werden. Während in den vergangenen zwei Jahren vor allem Creme- und Schwarztöne dominierten, wird es heuer fantasievoller: Dolce&Gabbana kombinieren sogar Shirts mit Märchenfiguren zu geblümten Bermudas. „Fantasie ist so wichtig“, sagt auch Alberta Ferretti über ihre Kollektion, „ich versuche die Magie eines Traums in die Realität zu übertragen.“ Feenkleider werden deshalb im Sommer in die Läden schwappen – sie gekonnt zu kombinieren kann aber schwer fallen. „An Mut und Risikobereitschaft dürfte es den Märkten heuer also nicht fehlen“, sagt Alexander Wang, der von Promis wie Rihanna oder Megan Fox getragen wird.
Neben den Farben werden auch die Materialien pompöser: Spitze, Seide und Python-Leder kommen zum Einsatz. Besonders die Reptilprägung findet sich auf Taschen und Gürtel von Tod’s oder Burberry Prorsum – sei es auch oft als Fake. Sie wirkt wertig und löst den etwas billig wirkenden Leo-Trend ab.
Erotik bringt die Spitze, die an Dekolletés und an Rocksäumen zu sehen ist und gerne in Versuchung führt – für diejenigen, die das Risiko lieben.
Bis zum Make-up setzt sich die Experimentierfreude durch: Kräftige Lacke für die Nägel, pinker Lidschatten und leuchtende Lippen ergänzen die Mode. Kosmetik-Guru Leonard Lauder zog 2001 den von im geprägten „Lippenstiftindikator“ für seine Wirtschaftsprognose heran: Lippenstift ist der kleine Luxus, den Frauen sich in Zeiten der Krise gönnen. Diese Theorie krankt nur an einem Detail: Auch in goldenen Jahren fehlt Lippenstift in kaum einer Tasche.
Hose und Hut geben Mut
Röcke verführen, Hosen schützen: Auf diese Regel lässt sich das Jahr 2011 bringen. Denn so ganz stabil ist die Wirtschaftslage nicht – die Mode rüstet sich für den nächsten herben Schlag. Maskuline Schnitte und harte Kontraste stehen den femininen Kleidchen in diesem Sommer entgegen.
Fast alle Designer zeigen neben Knallfarben auch schwarz-weiße Kombinationen wie Moschino, Calvin Klein oder auch Diane von Fürstenberg.
Auch die Shorts, die im Sommer 2010 als modische Hotpants-Verirrung bereits auf den Straßen zu sehen waren, werden maskuliner: Mit Bundfalten, hohem Bund, als auch dreiviertellang werden sie zur Lederjacke oder zum Blazer kombiniert.
Wichtigstes Accessoire zum Dandy-Look: Die passende Kopfbedeckung. Der Bowler-Hat, Cowboy- und Rancherhut sind zurück. Wer das nicht wagt: Ein scharf gezogener Mittelscheitel tut es ebenso. In der Krise Ende der Zwanziger Jahre waren Hüte schon Trend, ebenso wie dichte Stoffe à la Tweed. Heuer wird der Herren-Look für die Frauen mit Nieten, Leder oder auch Metallschnallen abgerundet: kühle Details, die den Körper schützen. Dazu passen Pumps mit wuchtigem Keilabsatz, Kork-Stilettos oder – wie schon im Winter – Budapester aus Wildleder.
Anne Kathrin Koophamel