Italien: Ein Kinderbuch wird zur Papst-Sache
Rom - Ein Ei geht spazieren und trifft ein Nilpferd, zwei Kängurus und zwei Pinguine mit Kindern. Klingt harmlos. Ist es in Italien aber nicht. Die lesbische Autorin Francesco Pardi hat ein Kinderbuch namens „Piccolo Uovo“ (Kleines Ei) verfasst, in dem sie alternative, moderne Familienformen zeigt.
Also nicht nur Vater, Mutter, Kind, sondern auch Vater, Vater, Kind und Mutter, Mutter, Kind. Im Detail sieht die Kinderbuch-Welt so aus: Ein Nilpferd ist alleinerziehend, die Pinguine sind homosexuell, die Kaninchen und die Katzen lesbisch und Kängurus haben einen Polarbären adoptiert.
Der Streit brodelt schon lange - was Elton John damit zu tun hat
Bildet das einfach die heutige Vorstellung von Familie ab oder wird damit ein zu liberales Weltbild propagiert? So sehen es zumindest viele erzürnte Konservative und Kirchenanhänger in Italien. Jetzt aber bekommt die Autorin ausgerechnet von einer Person Unterstützung, mit der die wenigsten gerechnet haben: von Papst Franziskus.
Seit Monaten brodelt das Thema im katholischen Italien, das mit der Akzeptanz von Schwulen und Lesben traditionell kämpft. Richtig Fahrt nahm die Diskussion auf, als der Sänger Elton John, der mit seinem Partner zwei Kinder von einer Leihmutter hat, Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro als „bigott“ bezeichnete. Der hatte nämlich zu seinem Amtsantritt als eine der ersten Handlungen Bücher der Autorin aus Vorschulen verbannt. Und einer Homosexuellen-Parade erteilte er gleich ein Verbot in Venedig.
Die Antwort von Franziskus ist nett – vielen zu nett
Jetzt ist auch der Papst in die Debatte „hineingerutscht“. Die Autorin Francesca Pardi schickte Franziskus ihre Bücher. Sie wollte für mehr Toleranz werben und zudem darauf aufmerksam zu machen, wie viel Hass ihr wegen der Bücher von Katholiken entgegenschlägt. Und tatsächlich bekam sie auf ihre Nachricht eine päpstliche Antwort: Laut dem Blatt „The Guardian“ schrieb ein ranghoher Vatikan-Vertreter im Namen des Papstes: „Seine Heiligkeit ist dankbar für die aufmerksame Geste und für die Gefühle, die sie ausgelöst hat.“
Der Papst hoffe auf „die Verbreitung authentischer menschlicher und christlicher Werte Am Schluss stehen noch Segenswünsche vom Papst. Wie ist diese persönliche Nachricht zu deuten? Für italienische Medien ist klar: Der Papst unterstützt Pardis Aussagen und ihren Lebensstil. Sie selbst hat mit ihrer Partnerin vier Kinder.
Auch wenn Papst Franziskus mit Blick auf Homosexuelle mildere Töne als seine Vorgänger angeschlagen hat – dies ging dem Vatikan dann doch zu weit. Das Kirchenoberhaupt unterstütze keine Gender-Theorie, der Brief sei „instrumentalisiert“ worden, so ein Vatikansprecher. „Der Segenswunsch des Papstes am Ende des Briefes richtet sich an die Person und nicht an mögliche Lehren, die nicht mit der Doktrin der Kirche übereinstimmen. Diese hat sich nicht geändert, wie der Papst zuletzt erneut wiederholt hat.“
Im Oktober treffen sich die Bischöfe zur Familiensynode
Das Thema hat vor dem Hintergrund der Familiensynode, die im Oktober in Rom beginnt, eine besondere Brisanz. Auf dem Treffen von Bischöfen aus aller Welt soll auch zur Sprache kommen, wie die Kirche künftig mit Homosexualität umgehen soll und ob es eine Öffnung in dieser Hinsicht geben kann. Allerdings versuchen hochrangige Kirchenvertreter seit langem, die Erwartungen an die Synode niedrig zu halten.
So sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, dass das Thema Homosexualität nicht im Mittelpunkt stehen werde. In Italien ist die Gesellschaft bei weitem nicht so offen wie in Deutschland. So ist das südeuropäische Land eines der wenigen in der EU, das gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften nicht anerkennt.
Erst im Juli hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Land zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften aufgefordert. Zumindest Venedigs Bürgermeister schlägt nun versöhnlichere Töne an. Er stehe bereit für eine erste Gay-Parade auf dem Canal Grande, verkündete er zuletzt. Und eine Einladung an Elton John schickte er gleich hinterher, „vielleicht singt er mit uns“.