Interview mit Protokollchef des Bundestags Enrico Brissa: Neuer Knigge für jedermann

Wenn’s um Manieren geht, ist Enrico Brissa Experte. Der 46-Jährige wacht als Protokollchef im Bundestag über die richtigen Umgangsformen. Jetzt hat er ein Benimmbuch geschrieben – geeignet für jedermann.
von  Julia Sextl
Autor und Protokollchef im Bundestag: Enrico Brissa.
Autor und Protokollchef im Bundestag: Enrico Brissa. © Urban Zintel

Wie spricht man einen Toast aus? Wie entschuldigt man sich stilvoll? Und wie lernt man, mit Komplimenten umzugehen? Stil- und Benimm-Experte Enrico Brissa erklärt in seinem neuen Buch "Auf dem Parkett. Kleines Handbuch des weltläufigen Benehmens" nicht nur die wichtigsten Regeln für ein respektvolles Miteinander, sondern befasst sich auch noch ausführlich mit stilvoller Kommunikation. Gestern hat er seinen Ratgeber in München vorgestellt.

Denn: "Nur wer die Regeln kennt, kann mit ihnen souverän umgehen", sagt Brissa im Gespräch mit der AZ. Viele Menschen spürten eine große Verunsicherung, was die Formen des Umgangs miteinander angeht. "Ich werde so oft um Rat gefragt – auch im privaten Bereich. Das betrifft zum Teil auch ganz einfache Dinge", so Brissa. Mit seinem Buch – geschrieben fürs ganz normale Volk – will er nun Abhilfe schaffen.

Im Hauptberuf berät der Autor vor allem auf politischem Parkett: Als Protokollchef im Bundestag bereitet er wichtige Treffen vor sorgt für die angemessene Repräsentation des deutschen Staates und ist Ansprechpartner in allen Fragen zu Umgang und Etikette. Davor war Brissa bereits Protokollchef der Bundespräsidenten Christian Wulff und Joachim Gauck.

Der 46-Jährige hat wie kaum jemand Einblick in den politischen Alltag, hat über Jahre beobachtet, wie Führungskräfte aus Wirtschaft und Politik miteinander umgehen. So finden sich in dem Buch auch so einige Anekdoten wieder.

Trump hat die richtige Begrüßung noch nicht drauf

Wie beispielsweise über den Besuch von US-Präsident Donald Trump in Polen, als die Frau des polnischen Präsidenten mit stoischer Ruhe an seiner ausgestreckten Hand vorbeiging, um erst Melania Trump die Hand zu schütteln. Nur zwei Monate zuvor verwehrte der französische Präsident Trump die Hand, weil dieser zuerst die deutsche Bundeskanzlerin begrüßte – als dienstältere Dame.

Neben zahlreichen Beispielen und Geschichten erklärt das Buch alles Nötige, was man über Etikette in Politik und Wirtschaft wissen muss. "Gute Umgangsformen können im Berufs- und Privatleben durchaus ein hartes Auswahlkriterium sein", so Brissa. Das Besondere dabei sei, dass der Betroffene oft gar nicht erfahre, dass ein negatives Ergebnis gegebenenfalls mit seinen schlechten Manieren zu tun hat.

So werden bestimmte Bewerber für einen Job im Auswahlverfahren oft zum sogenannten Gabeltest gebeten – ein gemeinsames Abendessen, bei dem nicht nur auf die obligatorischen Tischmanieren geachtet wird, sondern "auf den gesamten Umgang, wie sich jemand gibt", so der Experte. Denn auch für große Unternehmen ist Etikette oft wichtig.

Neben der Kommunikation im öffentlichen Raum beleuchtet das Buch auch den privaten Bereich. "Wenn es um Manieren und Umgangsformen geht, sind die Leute oft überfordert", sagt Brissa. Denn viele seien sich gar nicht mehr bewusst, dass es einmal Regeln für bestimmte Bereiche des Umgangs gab – was auch mit der generellen gesellschaftlichen Entwicklung zu tun habe: "Die Menschen sind immer weniger in soziale Strukturen eingebunden wie Kirchen, Parteien, Vereine und Familie. Dadurch gibt es viel weniger soziales Feedback als früher, man ist zunehmend isoliert", sagt Brissa.

Verunsicherung herrscht zunehmend vor

So sei der Grad der Verunsicherung heute viel höher als früher – weil die sozialen Regeln immer mehr in den Hintergrund drängen. Dennoch geht es dem Autor nicht darum, die Etikette zwingend einzuhalten. "Es geht darum, dass wir die Erkenntnisse und Werte, die hinter den Regeln stehen, kennen und ernst nehmen. Es geht um Rücksicht, Aufmerksamkeit und Anstand, die sich durch solche Umgangsregeln manifestieren", so Brissa. Würden wir diese Werte verlieren, würde dies der heutigen, globalisierten Massengesellschaft nicht gut tun.

"Ansonsten wird es ganz schnell ungemütlich", so der Experte. "Sie müssen ja nur mal morgens vor einem Discounter stehen, der ein ganz besonderes Schnäppchen anbietet und gleich seine Türen öffnet." Ein altes Hausmütterchen hätte hier wohl keine Chance, einen normalen Einkauf zu erledigen. "Mein Buch soll ein Plädoyer sein für die schönen Künste der Höflichkeit", sagt Brissa. "Es geht dabei weniger um die korrekte Ausübung äußerlicher Verhaltensweisen, sondern vielmehr um eine Art innere Kultiviertheit. Um Haltung und Stil im zwischenmenschlichen Umgang."

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